ei, Leute, ich werde jetzt auch demnächst 50 und bin auch Büromensch.
Aber eben deswegen weiß ich ja auch wovon ich spreche.
Ich hab ziemlich viel Willen, bin prinzipiell nicht unsportlich und habe eine ziemlich gute Idee von Koordination, und bin daher trotz massiven Hohlkreuz, sehr verkürzter Brustmuskulatur und einer insgesamt ziemlich miesen Haltung (im Stehen wirklich auffallend krumm mit vorgeschobenen Becken - sah fuuuuurchtbar aus) auf dem Pferd einigermaßen ordentlich gesessen. Die RL hat da viiiiieeeel Arbeit investiert.
ABER, da sind Grenzen gesetzt, links konnte ich kaum Drehsitz ausüben (was bei meinem kleinen instabilen Krüppelpony schon Auswirkungen auf den Links-Zirkel hatte), weil Ischias jaulte, außerdem war ich ein großer Teil meines Gehirns damit beschäftigt, die Wirbel übereinander zu halten, sodass ich auch wirklich gerade sitze, das ging wiederum zu Lasten der Geschmeidigkeit.
Seit Februar bin ich zum ersten Mal seit über 25 Jahren wieder sportlich anderweitig aktiv (ca 3 - 4 x wöchentlich, Gesamtzeitaufwand maximal 2,5 Stunden), seit ca. Mai ist das Reiten ein anderes. Weil ich mich nicht mehr bewusst gerade hinsetzen und so die ganze Zeit halten muss, sondern dass alles von alleine geht, kann ich lässig auf dem Pony sitzen. Drehsitz links ist nicht mehr limitiert, sondern endlich klappt alles mit dem linksrum reiten, einschließlich der Seitengänge, ohne in Tränen der Verzweiflung auszubrechen.
Weil sich meine Haltemuskulatur so verbessert hat, fällt es mir nun sehr leicht, locker und geschmeidig zu sitzen und bewusster einzuwirken. Ich darf gar nicht drüber nachdenken, wieviel Mühe ich mir hätte ersparen können, wenn ich mich mal mehr um mich gekümmert hätte.
Ich hab der RL öfter von meinen sportlichen Bemühungen erzählt, und die war teilweise fassungslos, als ich ihr erzählte, was alles an Übungen nicht ging, und wie ich die dann doch nach und nach hinbekommen habe, und wundert sich glaub ich immer noch, dass ich davor das Reiten trotzdem irgendwie gemanaged habe, wundert sich allerdings nicht mehr, warum ich manches ihrer Anweisungen nicht umsetzen konnte, ich hab nicht so kaputt gewirkt, wie ich eigentlich war.
Ich habe aktuell 2 Bekannte, eine hat Schulterschiefstand, zwar auch anatomisch bedingt, aber wegen nicht drum kümmern, und Tätigkeit im Labor über die letzten Jahre hinweg immer mehr verschlimmert, ist natürlich auch schmerzhaft, das wirkt sich z.B. u.a. extrem auf die Weichheit der Handführung aus, weil sie aus dem Schultergelenk heraus nicht loslassen kann. Sie hat Schmerzen und geht 1 x die Woche in Rückengymnastik, macht aber an allen anderen Tagen keine Übungen, die das irgendwie bessern würden.
Da kann, bei aller Mühe und Sorgfalt das Problem beim Reiten auch nicht weggezaubert werden. Das ist ein Handycap, und das Pferd muss damit umgehen. Das geht davon zwar nicht kaputt, aber es macht die Sache nicht einfacher.
Die andere hat - Bürotätigkeit - ein derart extreme Muskelverspannung im oberen Schulterngürtel, die kann teilweise noch nichtmal mehr die Arme anheben, wirklich sehr schlimm. Die Gute habe ich seit einem Jahr gewarnt, dass das immer schlimmer werden würde, sie hat aber nix dagegen getan. Dann kam es zum GAU, Krankmeldung, Medikamente um erst mal das schlimmste zu lindern, jetzt KG und immerhin hat sie den Warnschuss nun als solchen wahrgenommen und macht täglich was. Hat sich auch zwei Blackrolls gekauft, eine für daheim, eine fürs Büro und rollt sich täglich aus, um überhaupt mal eine Grundlage dafür zu schaffen, die Muskeln wieder in Arbeit zu nehmen.
3. Beispiel, recht sportliche Dame, Läufer, aber keine Idee davon, wie sich Hüfte und Becken bewegen, alles sehr versteift. Hatte natürlich Auswirkungen auf den Sitz. Da konnte man mit einer Sitzschulung bei meiner RL mal eine Idee geben, was es eigentlich heißt, das Becken auch wirklich 3 D zu bewegen, das hatte dann wiederum Auswirkungen auf den Laufstil, denn sie lief auch mit so steifer Mittelpositur. Das Reiten gab aber nur den Impuls, ändern musste sie das Bewegungsmuster zu Fuß. Sie hat dann noch einen Feldenkraiskurs belegt und so weitere Ideen von Körperbewusstsein gesammelt. Sie ist Späteinsteigerin beim Reiten und wird sicher nie perfekt werden, aber das dranbleiben an der Veränderung des Bewegungsmusters hat das Reiten verbessert.
Was ich mit dem langen Beitrag sagen will:
es geht - meistens - auch immer so irgendwie, das Reiten. Viele Reitfehler lassen sich auch nur beim Reiten abstellen, wenn man z.B. ne falsche Idee vom Reiten hat, oder wie ein Arm geführt sein muss, dann muss das natürlich auch im Rahmen des Reitunterrichtes vermittelt und verbessert werden. Nichtsdestotrotz ist das Reiten eine Ganzkörpertätigkeit, und wenn der Körper defizitär ist, dann wird das Reiten eben nicht einfacher, weil man dann außer gegen die falsch angewöhnten Reitbewegungsmuster auch noch mit dem Körper kämpft.
Naja, und gerade uns bald/schon-50ern sollte klar sein, dass es mit zunehmenden Alter nicht einfacher wird...