Snoeffi hat geschrieben:
Puh echt schwierig, aber ich muss leider widersprechen:
Es hilft in der Reiterei meines Meinung nach gar nicht, wenn ich die Bedeutung der Einzelhilfe kenne, weil sie eben durch das Zusammenspiel mit einer anderen Hilfe eine ganz andere Reaktion hervorruft. Ein Beispiel: ich drücke mit dem rechten Wade an die Seite meines Pferdes - ohne jegliche andere Gewichts- oder Schenkelhilfe. Das Pferd wird mit seinem gesamten Körper nach links ausweichen.
Kombiniere ich dasselbe Drücken meiner rechten Wade aber mit anderen Hilfen (Gewicht, Zügel, verwahrender linker Schenkel etc. etc.) ist von einer Vorhandswendung, Schenkelweichen, Kurzkehrt, Angaloppieren, Biegung und noch viele andere Dinge alles möglich.
da muss ich aber mal sagen, dass du dir das aber recht einfach machst ;-)
erstmal: wo drückstn du? ich kann ohne weitere hilfen die VH, die MH und die HH bewegen mit nur einem druck meines schenkels, eben weil ich den an verschiedenen punkten am pferd ansetze! grob gesagt gibt es so viele einzelnen hilfen, die auch alle einzeln eine wirkung haben. aber allgemein
gesagt: das pferd weicht da, wo ich druck mache und geht da hin, wo ich platz mache. je nachdem an welchen stellen und in welcher zeitlichen abfolge und kombination ich das mach ergibt sich dann halt die "lektion".
nehmen wir an: ein pferd hat durch ungymnastiziertheit kleine körperliche defizite. DU machst alles richtig, da dein gesamtpaket an hilfen ja auf einigen pferden funktioniert. es klappt trotzdem nicht. das pferd drängelt dir aus dem zirkel. weisst du, was du tu musst, welche hilfe hier helfen kann? welchen teil deiner kombination du verstärken oder abschwächen musst, damit das pferd wieder klarkommt? ist es die drehung der hüfte? das zuviel treibende bein innen, der dauerhaft anstehende zügel innen? das äussere bein, das bei dem pferd weiter vorne angesetzt werden muss? oder ist es der äussere zügel, der zu hoch ist?
wenn du nur dein paket der hilfen kennst musste aber verdammt lang rumprobieren, bis das ergebnis wieder stimmt ;-) kennt man die einzelnen ergebnisse der hilfe ist das nach "liste" recht schnell rausgekriegt.
Zitat:
Natürlich habt Ihr Recht, dass ein Reiter erst einmal die Grundkenntnisse der Reiterei haben muss, um überhaupt die Wirkung einer Hilfe verstehen zu können, aber die Aussage, dass jede Hilfe für sich einzeln funktionieren sollte, finde ich falsch.
ich finds logisch. jede hilfe EINZELN MUSS eine reaktion zur folge haben und auch einzeln funktionieren. ein musiker muss erstmal seine töne kennen, bevor er ne sonate spielen kann.
wenn man einem pferd eine neue lektion beibringen will. überfällt man es nicht mit einer synphonie an hilfen. überforderung macht sich hier breit. hier teilt man sich eine lektion in viele einzelne schritte auf. man nimmt es auseinander. und fügt es hinterher zu einem gesamtbild zusammen.
wir sprechen hier nicht vom fertig ausgebildeten pferd und einem "fertig" ausgebildeten reiter. es geht ums lernen der hilfen!
angenommen ich reite traversalen und das pferd will partout die HH nicht so mitnehmen, wie ich meine hilfe aber gebe. ich muss es also sensibler auf eine bestimmte hilfe machen. woher weiß ich welche es sein muss? ich kann wahlweise mal an den zügeln probieren, mal hier mim schenkel drücken etcpp. und es kommt alles durcheinander, weil ich DIE hilfe nicht sofort rauskriege, die ursache ist. weiß ich aber die wirkung der hilfen, kann ich eine passende gezielt anwenden, ohne dass ich alles durchs probieren durcheiander bringe.
nicht immer sind die hilfen des reiters schuld an problemen. auch körperliche probleme der pferde führen zu unkorrekten und unerwünschte ergebnissen. kennst du die hilfen, die das pferd in solchen fällen unterstützen? wenn ja: dann wendeste doch ja einzeln funktionierende hilfen an ;-)
bedenke: nicht alle pferde funktionieren nach lehrbuch und haben ihrer eigenen schwierigkeiten. (und obiges war nur ein einfach zu lösendes problem)
Zitat:
Tja und über die Beschreibung "von hinten über den Rücken nach vorne an das Gebiss herantreten" wird jeder, der immer nach handfesten Erklärungen verlangt, nur den Kopf schütteln können. Das ist mir klar. ABER: Jeder Reiter, der dieses Gefühl mal auf einem gut ausgebildeten Pferd erleben durfte und spürt, wie sich das Pferd von selbst am Gebiss abstößt - ohne dabei auch nur einen einzigen Zahn zu verlieren - der weiß auf einmal, was gemeint ist. Das ist eben das Problem an der Reiter: Es hat verdammt viel mit Gefühl und spüren zu tun. Deshalb gehört ein ungeübter Reiter ja eigentlich auch auf ein gut ausgebildetes Pferd - was heute halt leider auch nicht mehr oft der Fall ist.
man braucht nicht zwangsläufig ein gut ausgebildetes pferd um das zu fühlen. wenn man die hilfen gleich von anfang an vernünftig erklärt bekommt geht das auch auf NICHT weit ausgebildeten pferden. aber es ist richtig. kein RS wird das in der ersten woche erfahren!
es ist durchaus(!) in worte zu fassen, was ein "über den rücken gehendes pferd" ausmacht.
und das hat nicht mal zwansläufig was mit der anlehnung zu tun.
ein pferd, das "über den rücken geht" wölbt ihn auf. die bauchmuskulatur drückt den rücken hoch, bzw die inneren organe gegen die WS. das pferd kann so LAST besser tragen. reine statik. in der natur MUSS es das nicht tun. es ist eine notwendigkeit, wenn ein gewicht auf dem rücken liegt. das pferd läuft elastisch, die HH ist aktiv und nimmt last auf (sie muss weiter vortreten, sonst funktioniert das rückenaufwölben nicht) hals und kopfhaltung sind entspannt, die oberlinienmuskulatur ist am hals hauptsächlich zu sehen. das pferd hat die nase vor der senkrechten und kaut ruhig auf dem gebiss. das pferd macht einen entspannten, aber aktiven eindruck.
(was hab ich wichtiges vergessen?)
mehr gehört für mich nicht zu diesem punkt. alles weitere zählt für mich zum gehörsam und zur aufmerksamkeit.
Zitat:
Reiten lernen ist ein bißchen wie tanzen oder sogar wie küssen. Versuch doch mal, jemanden das Gefühl für die Bewegung (ich meine hier nicht unbedingt nur den Takt der Musik) beim Tanzen zu erklären. Sau schwierig, aber die Harmonie zwischen einem Tanzpaar, das über das Pakett schwebt, kann trotzdem jeder sehen.
Beim Küssen ist es genau so. Erklär bitte mal jemanden, wie man gut küsst. Du kannst versuchen, einzelne Bewegungsabläufe zu erklären, aber das richtige Feeling ist eben nicht in einfachen Worten zu erklären.
äh...beim küssen sind aber (meist) BEIDE beteiligten hocherfreut und wollen beide was voneinander. zwischen mensch und pferd verhält es sich aber komplett anders. das pferd BRAUCHT den menschen nicht um in ner halle rumzulaufen. der mensch/reiter möchte, dass er getragen wird und noch in bestimmte richtungen, im bestimmten tempo, in bestimmte haltung. hier muss der mensch ganz klar verstehen was er da tut. da zählt nicht das gesamtgefühl, sondern die kommunikation. hier treffen zwei geschöpfe aufeinander, die sich naturgemäß NICHT verständigen, wenn nicht einer es versucht. es ist eine sprache. einzelne worte müssen erlernt werden. nicht vom pferd, sondern vom menschen. welchen sinn der satz letztendlich gibt hängt von der kombination der wörter ab!
fahr mal ins tiefste italien und sag zu nem kellner: hallo herr ober, ich hab gehört ihr kaffee ist hier so lecker, doch ich möchte trotzdem lieber eins ihrer leckeren mineralwässer trinken. es sollte auch nicht zu still sein, denn das mag ich nicht...
ob er dich versteht?
ein simples: aqua con gas wird er dir allerdings sofort bringen. und du wirst dich mit grazie bedanken.
was nützt dir also dein feuerwerk an wörtern, wenn man nur einzelne gezielte und gut ausgesuchte hilfen benötigt um das zu erreichen, was man will. hilfen, die man gezielt und im vollem bewusstsein ihrer reaktion anwenden kann.