Wo wir grad bei Erziehung sind... Wir gucken im Moment wieder vermehrt zu veräußernde Pferde an, und da erlebt man ja so allerhand. Bei manchen fahren wir nach dem ersten Telefonat nicht mal mehr los. Aber das ist eine andere Geschichte, und würde vermutlich ein weiteres Buch füllen.
Letzte Woche sollten wir einen Lusitano treffen. War bei uns in der Nähe, ist nicht ganz mein Beuteschema, aber hätte so von Alter und Größe gepasst. Ich war offen dafür, und hab gesagt, kann man ja mal angucken, und wenn es nicht so paddelt wäre es sicher eine sitzbequeme Alternative für eine Frau über 50
5 oder 6 sollte er sein. Im Pass stand 9. OK, Kleinigkeit.

Hat ja auch nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun. "Der ist ganz brav und lieb". OK, warum binden wir ihn nicht an zum putzen? Ja, nee, das ist jetzt so seine perönliche Macke, hat man mal versucht, dann hat er sich ins Halfter gehängt, und seitdem steht er frei.

Und wie macht ihr das, wenn ihr mal woanders hinfahrt? Warum sollten wir woanders hinfahren, hier ist es doch schön. Ah-ja... Nach Verladen oder so habe ich dann lieber nicht mehr gefragt.
Ich war dann auch schon zu abgelenkt, weil der Kopf ständig von links nach rechts pendelte, auf der Suche nach Leckerli und/oder Optionen in irgendwas reinzubeißen und drauf rumzukauen. Der Strick, später der Zügel, die Jacken der anwesenden Personen. Allerliebst.
Als der Liebe, Brave dann gesattelt und in die Halle geführt war stieg dann meine Freundin zuerst auf, weil ich mir das Gangwerk erst gern von unten anschauen wollte. Sie bekam auf den Weg nach oben auch gleich einen Keks in die Hand gedrückt, weil kaum landete sie mit dem Gesäß auf der Sitzfläche, schoss der Kopf in Richtung ihres Fusses zwecks Einwerfen des Kekses. Das habe ich ja gerne. Kekse gibts bei mir eh nur in Ausnahmesituationen, und ich wüsste wirklich nicht, warum ich ein Pferd für den normalen Vorgang des Aufsteigen des Reiters belohnen sollte. Ich habe dann beim Erklimmen des Rosses natürlich darauf verzichten wollen, und war auch darauf vorbereitet, dass er versuchen würde mich in den Fuß zu beißen. 1:0 für mich, das Maul war schon am Stiefel, aber ruckzuck war das Bodenpersonal da und schob von unten einen Keks rein.
Naja, der Liebe, Brave war derzeit etwas ausser Form, und leider auch sehr kurz ausgeschnitten und hatte evtl sogar Knieprobleme. Er eierte jedenfalls dermaßen durch die Kurven, dass ich dachte, der fällt gleich hin. Geradeauslaufen war auch nicht so seins, von reeller Anlehnung gar nicht zu sprechen. Dafür hatte er aber irgendeine dolle Zügelkonstruktion mit vorne geteilten Zügelenden, die in den Gebissringen und zusätzlich am Nasenband endeten, so dass man immer auch Wirkung auf die Nase erzielte. Interessant, kannte ich als normaler Englischreiter auch noch nicht. Das ist ja das Schöne am Pferde ausprobieren, man lernt immer dazu. Der Verbesserung der Anlehnung diente das aber auch nicht. Das arme Tier ging freiwillig keinen Schritt vorwärts, klar, wenn einem die Füße und/oder Knie weh tun. Insofern konnte eh keine Anlehnung stattfinden.
Wir haben ihn dann noch höflich wieder in den Stall geführt und dem zweiten Akt von "Ich fresse alles in meiner Umgebung an" beigewohnt. Trotzdem konnte ich mich irgendwie gar nicht schnell genug verabschieden.
Ich finde unerzogene Pferde wirklich interessant, weil ich mir immer versuche vorzustellen, mit welchen Ansätzen und in welcher Zeit man das vielleicht zum Besseren wenden könnte. Aber wenn ich so ein typisches freizeitvergurktes Teil vor mir habe, das aus allen Knopflöchern ruft, seht ihr nicht, dass ich Aua habe beim Laufen, dann muss ich irgendwie immer ganz schnell weglaufen. Meine Freundin tickt da so ähnlich wie ich, und wir haben die ganze Rückfahrt darüber diskutiert, wie hoch wohl der Anteil von solchen vergurketen, unerzogenen Pferden auf die Gesamtpopulation ist. Und warum es sich trotz all der Blogs, Foren, Videos und Literatur immer noch nicht rumgesprochen hat, dass man als Reiter verpflichtet ist, sein Pferd gesunderhaltend zu bewegen. Der Keks allein reißt es nicht raus.