Als Rosi geboren wurde war mir klar - die bleibt für immer. Als sie endlich 3 war und angeritten werden konnte, war ich so glücklich. Sie machte jeden Tag so viel Spaß und ich verbrachte täglich ewig im Stall.
Mit 3 hatte sie dann die erste Kolik, bei der ich mir noch nicht viel dachte. Ein Jahr später folgten dann zwei Kolikoperationen, die sie nur knapp überlebt hat. Nach monatelangem Stehen, durfte ich dann ziemlich motiviert wieder drauf. Fand der Spaß am Reiten aber nicht so schnell zurück. Jeden Tag, wenn sie sich nach dem Reiten wälzte, stand ich daneben und hatte Panik. Wälzt sie sich nur? Hat sie Kolik? Stirbt sie gleich? Die Operationen gingen auch nicht spurlos an ihr vorbei. Sie hatte null Muskulatur, war sehr dünn und nicht mehr so locker wie vorher. Trotzdem baute sie recht schnell auf, war gut zu reiten und so ganz langsam kehrte der Spaß zurück. Als der Sommer dann da war, war sie einigermaßen antrainiert und fing an mir Spaß zu machen. Es war ein warmer Tag im Juli an dem sie beim reiten etwas triebiger war als sonst. Ich ritt nicht so lange, es war ja auch wirklich warm. Ich stieg ab und das Pferd sackte ein. Anstatt zum Baden fuhren wir in die Klinik. Sie überlebte ohne OP gerade so. Mein Spaß am Reiten war völlig hinüber. Bei jeder Kleinigkeit sprang ich vom Pferd und guckte - kolikt sie?
Da alle Koliken im Sommer waren, entspannte ich mich zum Herbst hin etwas. Wir waren auf Djerba im Urlaub. Pferde fotografieren und ausreiten. Ich war immer die erste, die ausreiten wollte. Selbst dicke, sture Haflinger auf Sylt machten mir Freude. Auf Djerba sass ich kein mal auf dem Pferd. Mir machte reiten kein Spaß mehr. Ich stellte aber fest, dass mein Pferd so im Vergleich ganz schön toll war und nahm mir vor zuhause wieder intensiv zu reiten. Das sollte nochmal was werden mit der Dressurkarriere. Ich landete mit dem Flieger und wir kamen mitten in der Nacht zuhause an. Am frühen morgen klingelte das Telefon und ich fuhr das Pferd in die Klinik.
Meine Motivation war völlig am Boden. Das Pferd schon wieder ohne Muskeln, schon wieder von vorne anfangen? Und wozu die Mühe? Ich habe tausende von Euros reingesteckt, die Haltung optimiert, Zusatzfutter gekauft und alles mir mögliche getan. Es war dazu auch noch ein unangenehmer Winter. Ich wollte nicht in Stall, ich wollte mich nicht damit beschäftigen, nicht die Verantwortung, nicht die Sorgen. Ich ritt noch halbherziger, suchte eine Reitbeteiligung. Ich hatte auch keinen passenden Unterricht. Das Pferd lief schlecht, ich ritt schlecht. Ich probierte den Reitlehrer am Stall aber es passte nicht. Ich überlegte kurz eine Hängerkupplung zu kaufen und zum Unterricht zu fahren aber stellte schnell fest, dass ich eigentlich keine Lust dazu habe. Ich begann Springunterricht zu nehmen und gab damit schnell wieder auf. Ich wollte den Samstag morgen nicht im Stall verbringen. Ich konnte mir das nie vorstellen und konnte nie Leute verstehen die Samstag morgen zuhause saßen oder mit dem Freund rumhingen aber plötzlich erschien mir alles schöner als morgens um 8h in Stall zu fahren.
Im Frühling fuhr ich nach Rügen um dort eine Hochzeit zu fotografieren. Ich hatte niemanden näher darüber informiert, denn ich war ja nur von morgens bis abends weg. Auf Rügen angekommen, bereitete ich meine Ausrüstung vor als das Telefon klingelte. Das Pferd kolikt. Zum Glück haben sich ganz liebe Stallkollegen gekümmert und meine RB fuhr am Mittag hin. Es klappte ohne Klinik. Ich durfte mir aber einige Vorwürfe anhören, warum ich nicht kommen würde. Dass mein Pferd ja wohl wichtiger sei als ein Fototermin und warum ich überhaupt so weit weg bin ohne geklärt zu haben, wer sich im Notfall ums Pferd kümmert.
Und obwohl das eine harmlose kleine Kolik war, die mit einer Spritze und ein wenig führen zu beheben war, war das der Moment wo mir klar war, dass ich das nicht mehr will. Ich wollte nicht mehr reiten, ich wollte nicht mehr die Verantwortung. Ich wollte die Angst nicht mehr, die Verpflichtung...
Aber was soll man machen. So ein Pferd kann man nicht verkaufen. Ich dachte daran sie weg zu stellen aber ich hatte die Haltung so sehr optimiert und da die Koliken immer in der Weidesaison waren, hielt ich eine 24 Stunden Wiese nicht für die beste Idee. Ich ritt halbherzig drauf rum. 3x die Woche. Meine RB ritt auch 3x. Das war ok aber toll lief sie nicht. Ich begann Unterricht bei einem anderen RL zu nehmen und merkte dabei, wie sehr ich den Spaß am reiten verloren hab. Der Unterricht war gut und das Pferd wurde besser aber anstatt wie all die Jahre oben zu sitzen, mich zu freuen und zu hoffen, dass die Reitstunde nie vorüber geht, saß ich da und dachte "wenn du dich jetzt einmal anstrengst darfst du vll gleich aufhören". So dümpelte der Sommer irgendwie so dahin. Ich ging ein paar mal ausreiten aber da Rosie die meisten Sommer krank war, kannte sie das nicht und war etwas nervig. Mir machte das kein Spaß und dauerte auch so lange.
Im Herbst kündigte ganz überraschend meine perfekte RB, weil sie umziehen musste. Ich ritt öfter und fand es furchtbar. Ich suchte eine neue RB und landete den totalen Griff ins Klor. Während dessen, räumte Rosie mein Konto leer. Husten, Einschuss, Bindehautentzündung, Verletzung, Eisen ab, neuer Sattel... Das wars dann auch mit dem Jahresurlaub, den ich eh nur mit mulmigem Gefühl angetreten hätte.
Nachdem ich mich ein paar Wochen täglich abends in Stall gequält hatte und kein Spaß daran fand, suchte ich eine neue RB und fand die beste der Welt. Ich gab das Pferd zusätzlich 2 Tage in Beritt und reite seit dem nur noch 1-2x die Woche. Ich stopfe monatlich Unmengen an Geld in den perfekten Stall, spezielles Futter, einen guten Schmied, Beritt... Und habe keine Freunde dran. Ich liebe Rosie. Ich kuschle gerne mit ihr, ich gehe gern mit ihr spazieren aber ich habe keine Lust zu reiten. Vor einigen Monaten hat sie plötzlich das Bocken für sich entdeckt. Ich habe keine Lust dadrauf. Wir haben den Sattel in Verdacht. Der Sattler war nun 2x zum ändern. Er passt immer noch nicht. Ich habe keine Lust wieder einen Haufen Geld auszugeben für einen Sattel der vermutlich auch nicht passt um dann nicht zu reiten, weil das Pferd entweder krank ist oder ich keine Lust habe.
Ich finde es so wahnsinnig traurig. Sie ist so ein tolles Pferd. Motiviert leichtrittig, bequem, verschmust, anhänglich, talentiert, vielseitig und ein echtes Goldstück. Sie hat Potential und ich glaube sie würde für ihren Reiter alles geben. Aber ich mag nicht. Ich hab in diesem Jahr Urlaubsvertretung für eine Freundin gemacht und ihre großartige Stute geritten. Ein wahnsinnig tolles, rittiges Pferd was auf hohem Niveau ist und mit dem ich quasi alles reiten konnte. Ich hätte mir früher eine Hand abgehackt um so ein Pferd reiten zu dürfen. Es machte mir kein Spaß.
Immer wenn meine Freundinnen erzählen, dass sich das ganze Geld, die ganzen Sorgen, der Aufwand so sehr lohnen, weil das Gefühl das eigene Pferd zu reiten so toll ist, könnte ich heulen. Warum kann mir das kein Spaß machen?
Ich drehe mich seit Monaten im Kreis und mich belastet das alles ziemlich. Fast mein gesamtes Gehalt geht in das Pferd. Meine Freizeit verbringe ich beim Pferd. Und das alles ohne Freude. Das nicht die nächsten 15 Jahre so weiter gehen. Aber ich finde keine Lösung. Ich kann sie nicht mit gutem Gewissen verkaufen, wer nimmt schon ein mehrfach operiertes Pferd, wo es tausende gesunde gibt und nimmt die Zusatzkosten für Futter und Haltung auf sich?
Ich hab immer gesagt, sie geht niemals. Wenn ich keine Zeit / keine Lust / kein Geld mehr habe, stelle ich sie auf eine tolle Weide und sie darf ihr Leben genießen. Aber dass ich mal ein Pferd habe was Weide nicht verträgt, hatte ich nicht erwartet. Die Klinik sagt, Gras ist kein Problem. Eine große Weide ist super. Gift für Koliken sind Fresspausen und zu langes stehen. Aber seit ich sie nicht mehr auf Weide habe, hatte sie keine Kolik.
Ich drehe mich immer wieder im Kreis. Jede Lösung scheint irgendwie verkehrt.
Warum also nun der lange Text? Ich wollte es mir gerne von der Seele schreiben. Mir eingestehen, dass ich nicht gerade jetzt keine Lust hab weil das Wetter schlecht ist / das Pferd nicht gut läuft / ich so wenig Zeit habe, sondern dass es ein grundsätzliches Problem ist.
Außerdem wollte ich hören, ob das jemand von euch kennt? Ging es euch auch schonmal so? k (Chronisch) kranke Pferde gibt es hier ja genug. Habt ihr für euch eine Lösung gefunden?
Hattet ihr auch längere Phasen, in denen ihr kein Spaß dran hattet? Habt ihr den Spaß wieder gefunden? Wie?
Und danke an jeden, der da jetzt bis zum Ende durchgelesen hat.
