Da isser - der Bericht aus Luhmühlen
Liebe Enten,
danke, dass ihr alle mitgefiebert und die Daumen mitgedrückt habt. Ich habe hier auch ein paar Fragezeichen gelesen, und will mich gern bemühen alles entsprechend zu beantworten.
Donnerstag: Anreise und Horse InspectionEs fing schon alles ganz toll an mit einem Reifenplatzer auf der Vorderachse des LKWs – Gottseidank nicht auf der Autobahn sondern 3 km vor dem Ziel. Wir haben dann einen Fahrerkollegen angerufen, der uns beim Reifenwechsel assistierte und kamen mit leichtem Zeitverzug an. Das Fahrerlager war da schon gut überfüllt, was nicht das einzig organisatorische Manko bleiben sollte. Wir haben dann das Nötigste abgeladen, was ich so für mich und das Kleine Schwarze zum Vormustern brauchte, haben unser Areal abgesteckt, und dann fuhr mein Mann fröhlich zum Reifenwechseln nach Lüneburg. Hurra, zu den horrenden Kosten dieses Turniers nochmal 600 EURonen für zwei neue Vorderreifen.
Ich hab mir währenddessen schon mal meinen Dressurplatz angeguckt und einen ersten Blick in die Hindernisse geworfen:
Stadion:

Horse-Inspection:

Das ging dann auch zeitnah los, glücklicherweise in alphabetischer Reihenfolge, so dass sich der internationale Newbie erstmal angucken konnte wie das geht. Dann hieß es auch schon aufrüschen und hin da. Mein cooles Pferd – von wegen! Wir kommen in das Stadion rein, er sieht die Kulisse, die ganzen Kollegen, die da im Kreis geführt werden oder eben auch schon rumspacken, und dann packt er erstmal den Friesen aus: Wir wachsen mal um gefühlt 2 Meter, stülpen den Kragen über, Schweif hoch, Friesentrompete an und passagieren und bocken um Frauchen rum. Das Theater habe ich mir ne halbe Minute belustigt angeguckt und dann eine Ordnungsmaßnahme eingeleitet. Danach gings dann auch so halbwegs, aber anscheinend musste man sich wohl erstmal „präsentieren“. Passkontrolle und Vormustern war reine Formsache, alles korrekt, Laufen hatten wir geübt, und auch sonst keine Beanstandungen: Fit to compete. Den Clown wieder weggepackt und angefangen Hindernisse zu besichtigen. Leider wird’s ja jetzt schon recht früh dunkel. Abends war dann noch offizielle Begrüßung, Fahrerbriefing und – Freibier!
Freitag: Dressur – oder wie komme ich zu 58%Eine Frage bewegt den Teich, ich habs wohl gesehen, und sie ist nicht unberechtigt angesichts von zuletzt 72%...
Vorbereitung:

Die Sandkiste namens Dressurplatz hatte ich ja am Vortag schon skeptisch beäugt. Die ganze Nacht hatte es durchgeregnet, aus der Sandkiste war tiefster Kleckermatsch geworden. Das mag zum Reiten ja ganz prima sein, für Fahrer nur bedingt geeignet, je nach Pferdetyp halt. Wenn du einen hochbeinigen, durchgeknallten Holländer hast, den du normalerweise kaum anhalten kannst freust du dich. Wenn man ein Kleines Schwarzes Pferd mit kurzen Beinen hat bleibt nur noch beten. So war es dann eben auch. Nach 30 Gespannen hatte sich der Boden erwartungsgemäß nicht wesentlich verbessert, und als wir bei A in den Acker reinfuhren und quasi erstmal komplett ausgebremst wurden meinte ich von vorne einen schwarzen Stoßseufzer zu vernehmen. Ja, und so haben wir uns da dann eben durchgeackert. Man muss es diesem armen Tier wirklich hoch anrechnen, er hat sich die Seele aus dem Hals bemüht. Er hatte immer den Motor in Gang, hat es bis zuletzt geschafft sich zu tragen. Wir haben alle Lektionen artig absolviert, die Punkte getroffen und trotz allem ein nettes Bild abgegeben. Ich habs auf dem Video gesehen, es sieht besser aus als gefühlt. Aber nett ist eben die kleine Schwester von Mittelmäßig – das will in einer internationalen S kein Mensch sehen. Von der Power und Dynamik, die wir jetzt mühsam rangearbeitet hatten war nichts zu sehen, bzw. wenn wir die nicht rangearbeitet hätten wären wir wohl komplett verreckt. Ich bin froh, dass ich mein Trainingsvideo habe und mich daran erfreuen kann, wie das Pferd unter besseren Bedingungen mit Ausstrahlung und Go geht.
Tiefpunkt der Zugleistungsprüfung war tatsächlich das Rückwärtsrichten. Ich hatte schon einkalkuliert, dass der Boden da ohne Worte sein würde und bin ein bisschen von der Linie abgewichen. Die Idee hatten aber auch schon andere, wir standen in einem Loch voll mit zähem Brei. Er hatte schlichtweg keine Chance, hat sich schon zum Ball zusammengekrümmt und die Karre trotzdem nur ein paar cm bewegen können. Und normalerweise ist RWR überhaupt kein Thema, wenn das eines wäre, wären wir dort wohl auch deplatziert und hätten nicht die M- und S-Platzierungen mit tw. 8en auf diese Lektion. So hatte er eben einfach keine Chance, da steht dann was von „Widerstand“ (haha!) im Protokoll und es gibt ne 3. Widerstand hat allerdings mehr der Boden geleistet als das Pferd.
Zugegeben, ich war schon ziemlich enttäuscht, dass wir uns nicht so zeigen konnten. Die Bedingungen waren natürlich für alle gleich bescheiden, je nachdem eben, und dass nur 5 Starter über 70% erreichten sagt bei dem Niveau eigentlich auch genug aus. Der Zustand des Dressurplatzes war also ein weiterer Punkt auf der organisatorischen Mängelliste. Da hilft es dann auch nichts nach jedem 10. Gespann den Boden glatt zu ziehen, das ändert nun mal gar nichts an der Konsistenz.
Ziemlich schwarzer Freitag, aber zumindest das Minimalziel nicht Letzter zu werden erreicht: wir konnten noch 8 Kollegen hinter uns lassen.
Samstag: GeländeDas Herzstück des Ganzen, Spaß in der Westergellerser Heide für die einen, Nerventest für die anderen. 7 schwere Hindernisse, alles dabei von Kraftprobe über Blindflug zu ich seh den Wald vor Bäumen nicht. Krönung war Hindernis 7 – wie eng geht eigentlich? Ich wage mal zu sagen, da wäre manch ein Reiter drin verhungert, und wir sollten da mit Wagen dran durch. Kommentar des Bundestrainers: ja, schwer genug isses.
Zum Auftakt erstmal lässige 5 km mit 15er Trab durch Wald und Feld schüsseln, das Kleine Schwarze super gut drauf, nach dem Motto wo steht das Klavier. Hindernis 1 komplett im Wasser, da zog er locker seine Bahnen, aber da haben wir gegen die großen Langbeiner natürlich schon mächtig verloren. 2 und 3 liefen richtig schön rund, aber währenddessen hatte es in 6 einen bösen Unfall gegeben, und nach der Ausfahrt aus 3 wurden wir für letztlich eine Stunde angehalten.
Das ist natürlich in jeder Hinsicht eine Katastrophe. Erstmal fällt die eigene Spannungskurve von 150 auf Null. Dann siehst du 2 Rettungswagen um deinen Fahrerkollegen stehen, und nichts passiert. Dann ist wieder die Rede von Hubschrauber, ach nee, doch nicht, dann kommt ein 3. Rettungswagen, und nach 50 Minuten ist dann endlich Abtransport. Jede Menge Zeit für Kopfkino, und mein armer Mann hatte richtig Arbeit mich noch zu beruhigen. Zwischendurch war ich wirklich nahe am Ausrasten, das war kaum noch auszuhalten. Nur das Kleine Schwarze hatte gemütlich eingeparkt und döste in der Sonne vor sich hin. Für ihn war was ideal, ich musste ihn nur wieder wecken, ein bisschen warm machen, und dann griff er wieder an als wäre nichts gewesen. Nur bei mir war es eben nicht wie vorher, den Rest haben wir dann doch mit ein bisschen angezogener Handbremse absolviert. Es ging um nichts, aber ich hatte den Kopf nicht mehr wirklich frei und habe sicher einige Sekunden verschenkt, die nicht nötig gewesen wären. Ich wollte nur noch heile im Ziel angekommen. Tja, da bin ich wohl nicht abgebrüht genug, definitiv haben alle mentalen Lösungsstrategien versagt. Am Ende haben wir auch da wieder 12 hinter uns gelassen, aber es wäre sicher ein bisschen mehr drin gewesen. Aber immerhin, ein gesundes, fittes Pferd aus einem internationalen Marathon gebracht. Spaß wars ehrlich gesagt nur begrenzt.
Sonntag: KegeltagNun hatte die Sandkiste ja ein paar Stunden Zeit sich zu überlegen ob sie uns noch einen angenehmen Abschluss ermöglichen wollten. Der Boden war etwas fester geworden, der Parcours mit einer guten, aber trickreichen Linie, 3 Kombinationen drin, und in meinen Augen nicht so schwer wie ich schon gefahren bin. Die Einschätzung sollte sich dann am Ende mit 9 Nullern auch bestätigen. Meine Lieblingsstrategie mit hohem Grundtempo um die Ecken zirkeln ließ sich da auch gut umsetzen, und so waren wir schön flott unterwegs, leisteten uns aber einen völlig unnötigen Ball an 7, wo man einfach nur eine Volte fahren musste. Da fehlte für ein Sekündchen der Zug nach vorne und schon wars passiert. Die restlichen Bällchen zeigten Gnade und blieben auf ihren Plätzen, und so kamen wir das erste Mal mit nur einem Ball aus einem S-Parcours. Natürlich war unser Handicap wieder die Zeit, das kleine Pferd und 250m/M passen normal schon nicht gut zusammen, auf klebrigen Boden eben erst recht nicht. Aber alles nicht schlimm, andere sind da ganz anders baden gegangen, und die hatten mehr zu verlieren als wir. Platz 41 von 57, ich hatte ja schon geahnt, dass das unsere beste Disziplin werden würde.
FazitIn der Gesamtabrechung haben wir uns in der internationalen Wertung auf 45 gefahren (von 57), und auf 22 in der DM (von 28). Damit ist unser persönliches Ziel so was von erreicht, ich hatte mir sehr gewünscht, dass am Ende eine 4 vorne steht, und der Gedanke, dass es in ganz Deutschland momentan nur 21 bessere Einspännerpferde als unseres gibt ist auch sehr, sehr geil. Wer das angereiste Pferdematerial da gesehen hat – Wow. Und dann der kleine schwarze Halbfrisesling dazwischen, der 3 Tage lang einfach nur das gemacht was sein Job ist und von ihm verlangt wird – unbeschreiblich und unbezahlbar.
Genau wie das Gefühl in so eine Arena zu fahren und der Sprecher kündigt dich an:
„Für Deutschland, representing Germany…“, und dann kommt dein Name. Gänsehaut pur.
Vom Turnier selber hätte ich mir deutlich mehr versprochen. Wie erwartet hielt sich der Zuschaueransturm in Grenzen, das kennen wir ja aber. Schlimm war das organisatorische Drumherum, wo man denkt, das kriegt jedes Heckenfest in Hintertupfingen besser hin. Viel zu wenig Helfer (außer Parkplatzpersonal…), dauernd Stromausfall, ständige Änderungen im Ablauf, die nicht sauber kommuniziert wurden, total lieblos und die Gegend gestellte, undekorierte Hindernisse. Wenn da nicht so eine Meldestellenkoryphäe gesessen hätte, die uns noch etwas Halt gegeben hat, wären wir echt verloren gewesen. Schön ist wirklich anders. Hinter den Kulissen muss es noch deutlich mehr gerumst haben, ob die FEI die WM 2014 dorthin vergibt ist komplett in Frage gestellt, und mit Sicherheit kann man jetzt schon sagen, dass Luhmühlen nicht die neue Fahrerhochburg wird. Insofern können wir sogar noch sagen, wir waren bei einem einmaligen Event dabei…
Und jetzt gehe ich erstmal langsam meinen Adrenalinpegel wieder in Ordnung bringen.