Glasgow2012 hat geschrieben:
So ging es mir hier auch am Anfang

In zwei Wochen kannst du erst mal mit mir Socializing machen

Jaaa!!! Nächstes WE, ich freu mich schon!!! Am 24. ziehe ich um, vielleicht kann ich dich dann sogar am Abend auf ein Essen in mein neues Heim einladen ;-)
Mitten in der Nacht (ich bin krank daheim und kann nicht wirklich schlafen) sieht man hier die dollsten Dinge. Ich habe meine jüngste Erfahrung mal aufgeschrieben, also von dieser Nacht. Da bekommt man auch ohne Fotos einen Eindruck, finde ich...
Ich stehe am Fenster und rauche eine Zigarette. Der kalte, pfeifende Wind wirbelt leere Plastiktüten umher. Samstagnacht in London, Finsbury Park, kurz nach drei Uhr. Wer bis eben noch in den Pubs unterwegs war wurde herausgekehrt, Sperrstunde. Nicht jeder, der allein herkam, ging auch allein. Betrunkene Gestalten wanken die kalten, holperigen Gehwege entlang. Auf der Suche nach dem Weg oder dem Bus, nach dem nächsten Taxi, nach einer unbehelligten Ecke….
Da läuft das junge, dunkelhäutige Mädchen den Gehweg entlang, sie schaut nicht links und nicht rechts. Sie hetzt ihren Weg entlang, die Hände in den Manteltaschen vergraben, den Kopf gesenkt. Hinter ihr geht eine Gruppe von Männern, dunkelhäutig, in Bomberjacken, laut diskutierend. Mitten auf dem Weg bleiben die Männer stehen und fangen an zu streiten. Das Mädchen läuft schnell weiter und verschwindet an der nächsten Kreuzung ums Eck.
Eine vielleicht 30 Jahre alte, weiße Frau läuft an der Gruppe der streitenden Männer vorbei, sie weicht auf die Straße aus um zu überholen. Sie kommt kurz nach der Männergruppe ins straucheln, fängt sich so gerade eben noch. Einer der Männer ruft ihr nach „Are you alright?“, sie rief zurück „Yeah, thanks“ und lief schnell weiter. Irgendwann verschwand sie aus meinem Blickfeld. Die Gruppe der Männer verlagerte sich immer weiter in die nächste Nebenstraße rein, doch ich hörte sie weiter streiten. Es ging um Geld, so viel verstand ich.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, ein Pärchen. Aber, ist es wirklich ein Pärchen? Oder haben sie sich erst heute Abend kennengelernt? Beide sind sichtlich betrunken. Doch sie scheinen nicht aus dem Pub nebenan zu kommen. Er trägt Anzug und Mantel, sie ein Kleid und einen Mantel. Er hält sie fest, damit sie nicht fällt auf dem holperigen Weg. Sie will dem Weg folgen, er will die Straße überqueren. Sie scheinen sich beide nicht sicher zu sein wo der Heimweg nun langführt. Er nimmt sie in die Arme, sie vergräbt sich darin. Sie drehen sich stolpernd im Kreis, das Mädchen fällt fast. Er hält sie weiter, sie lacht laut auf. Als sie sich gefangen hat lässt er sie los, sie geht ein paar Schritte, fällt wieder fast um. Wieder ist er zur Stelle, fängt sie auf, sie vergräbt sich erneut in seinen Armen. Sie halten sich fest, küssen sich, er umfasst sie und hebt sie hoch, ihre Beine wirbeln umher, sie halten sich gegenseitig in den Armen. Als er sie absetzt scheint sie wieder zu wissen wo der Weg langgeht. Sie kichert vor sich hin, nimmt ihn an der Hand und zieht ihn hinter sich her. An der nächsten Straßenecke treffen sie auf einen fremden, hochgewachsenen, jungen Mann in kurzer Jacke. In Bruchteilen von Sekunden eskaliert alles. Ein schwarzer Mantel fliegt plötzlich umher, das Mädchen schreit, es gibt ein Handgemenge. So plötzlich wie es kam, so schnell war es auch wieder vorbei und der große Mann ging weiter seines Weges. Ganz in Ruhe. Das Mädchen und ihr Freund liefen um die Ecke und verschwanden. Der schwarze Mantel liegt weiter auf dem Weg.
Der Wind pfeift noch immer. Ich habe eine Gänsehaut, aber nicht nur aufgrund der Kälte. Ich werfe meine Zigarettenkippe weg und bin froh, dass ich in einer Woche hier wegziehe.