Es regnet, ich bin krank...eine gute Gelegenheit, bei einer Tasse Tee ein paar Bücher aus dem Schrank zu ziehen...
Singvogel hat geschrieben:
Wenn man sich mal die Mühe macht und im ersten Band der Richtlinien die beiden Begriffe Anlehnung und Beizäumung nachschlägt wird man sehr überrascht sein. Ich fühlte mich an das Wort "geil" erinnert, das ja im Laufe der Jahrhunderte einen sehr netten Bedeutungswandel durchgemacht hat.
Ja, und noch viel schlimmer ist, daß jeder Autor natürlich auch noch sein eigenes Vokabular benutzt...
In den Richtlinien, die als Lehrbuch ja etwas knapp sind,steht tatsächlich eine Menge, den Begriff "durchs Genick reiten" finde ich dort aber natürlich nicht. Laß uns trotzdem sehen, ob man nicht zumindest die Begriffe, am Zügel, Beizäumen und Anlehnung unter einen Hut bekommt.
Dein Zitat
Zitat:
... im Halten wie in der Bewegung zwischen Reiterhand und Pferdemaul eine stete aber weich federnde Verbindung. Diese Verbindung nennt man Anlehnung. (S. 95)
ist etwas knapp, vollständig lautet des Absatzt:
"An die Hilfen stellen heißt, das Pferd mit Schenkel- und Gewichtshilfen von hinten nach vorne an das Gebiß bzw an die Zügelhand heranzutreiben, so daß im Halten wie in der Bewegung zwischen Reiterhand und Pferdemaul eine stete, aber weich federnde Verbindung hergestellt ist. Diese Verbindung nennt man Anlehnung."
Das "diese" markiert, daß die Anlehnung eine besondere Verbindung ist, die ich nicht dadurch erreiche, daß ich den Zügel aufnehme.
Die von Dir ja auch gerne gelesene H.Dv 21 schreibt dazu:
"Durch die vortreibenden Hilfen wird zunächst die Schubkraft der Hinterhand entwickelt. Das Pferd tritt an den Zügel heran, es kommt zu einer bestimmten Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, die man Anlehnung nennt.
Diese muß das Ergebnis der richtig entwickelten Schubkraft durch die treibenden Hilfen sein. (Hervorhebung im Original)
Geht das Pferd nun am Zügel? Die Richtlinien meinen Ja:
"Ein Pferd, daß in williger Anlehnung geht, den Zügelhilfen nachgibt und dem Reiter, sowohl im Halten als auch im Gange das Gefühl einer sicheren und weichen Verbindung verleiht, "
steht am Zügel"" (Seite 80)
Seunig in "Von der Kopel bis zur Kapriole" sieht das ähnlich, ohne es explizit auszuführen: "Die richtige Anlehnung darf das Pferd von sich aus nie aufgeben, indem es über, auf oder hinter den Zügel kommt", mit anderen Worten, in Anlehnung ist es am Zügel.
Cinnamon reitet ihr Pferd schön und dem Alter angemessen, aber geht es in Anlehnung?
Müseler, der ohne den Begriff der Anlehnung auskommt, dafür aber sein Pferd "an die Hilfen stellt" ähnlich wie die Richtlinien auf Seite 95, schreibt unter der Überschrift " Wie fühlt der Reiter, ob sein Pferd am Zügel steht?":
"Zügelgehorsam ist ein Pferd, wenn man es jederzeit hauptsächlich mit dem Zügel veranlasen kann
a) den Kopf höher oder tiefer zu tragen
b) den Hals lang zu machen
[c-e]..."
Gerade das Hals lang machen wird in den Dressurprüfungen als ZadHk überprüft, um Anlehnung und Losgelassenheit zu testen. Cinnamon nimt aber von sich aus den Kontakt zum Maul auf, lenkt gelegentlich und das Pferd hat keine Tendenz zum v/a. Damit würde es aber einer nachgebenden Zügelhilfe nicht folgen, nicht das Gebiß suchen und damit fehlen eben wesentliche Elemente, die eine Anlehnung von einer beliebigen Zügelverbindung unterscheiden. Derart in einer DPfA vorgestellt stände zu Recht im Protokoll "Galopp frei ohne Anlehnung"
Warum in den Richtlienien auf Seite 175 steht, ein junges Pferd solle in der Gewöhnungphase in leichter Anlehnung geritten werden, statt "mit leichter Verbindung" bleibt ihr Geheimnis, denn solange ein Pferd sich nicht treiben läßt, kann ich per Definition keine Anlehnung erreichen.
Beimzäumen ist etwas, was sich in der fortgeschrittenen Ausbildung ergibt, in der H.Dv als Begleiterscheinung zwischen Geraderichten und Versammlung und beschreibt eigenlich mehr die Hals/Kopfhaltung des Dressurpferdes als einen aktiven Ausbildungschritt. Wenn es ein Synonym zu "Durch's Genick" wäre, was ich nicht ausschließen will, dann sind wir uns ja wohl zumindest einig, daß dies kein Thema für eine Remonte sein kann, oder?
Gruß,
Pegasus