Hier mal nen Erfahrungswert einer Userin von einem Workshop:
„Das ist eine tolle Heulage, fast wie Heu“
Wer kennt den Spruch nicht? Hör ich oft und habe ich auch selbst oft gedacht.
Aber gestern beim Pferdeworkshop in Hannover wurden wir eines besseren belehrt.
Und wer kennt nicht die „stinkenden“ Kuhsilohaufen in der Landschaft, die man seinem Pferd eher nicht geben würde (hier soll mal im Moment nicht die Rede davon sein, ob saures Futter überhaupt ein geeignetes Pferdefutter ist, denn DAS war nicht Thema des gestrigen Workshops).
Der erste Vortragende war von der Landwirtschaftskammer Hannover und referierte über die Qualität von Grassilage und die Ergebnisse eines Tests von einer „Heulage“ für Pferde.
Damit Gras richtig siliert, also ein Vergärungsprozess stattfindet, benötigen die Milchsäurebakterien genügend Zucker (im Gras enthalten) und genügend Feuchtigkeit. Und hier taucht schon das erste Problem auf. Der Trockenmassegehalt (TM) beim Einsilieren darf nicht höher als 40-55% sein. Das ist noch ziemlich feucht. Feststellen kann der geübte Landwirt das mit der „Wringprobe“. Wenn man das gemähte Gras wringt, sollen die Hände gerade nicht mehr feucht werden, aber es ist noch ziemlich grün und geschmeidig. Zum Vergleich: Heu soll einen TM-Gehalt von mind. 86% haben.
Wird also das gemähte Gras bei der richtigen Restfeuchte gepresst und in Folie eingewickelt, kann alles gut werden. Der PH-Wert sinkt innerhalb kürzester Zeit ab (es wird sauer), die Milchsäurebakterien gehen ans Werk und der Zucker und der Sauerstoff werden in Säure umgewandelt. Zum Schluss enthält so eine Silage nur noch ungefähr ein Zehntel des ursprünglich im Gras vorhandenen Zuckers. Es befindet sich im Ballen kein Sauerstoff mehr, nur noch Kohlendioxid. So ist der Ballen haltbar.
Aber jetzt kommt das „ABER“: die meiste Silage für Pferde wird viel trockener eingefahren. In dem getesteten Pferdebtrieb betrug der TM-Gehalt knapp 70% (anstatt der geforderten max. 55%), also immer noch etwas feuchter als Heu, aber schon ziemlich trocken. Die Landwirte unter den Zuhörern warfen auch direkt ein, dass wenn sie mit der Wringprobe festgestellt haben, dass der TM-Gehalt optimal für Silage ist und dann aber die Presse erst noch kaputt ist und noch eben provisorisch repariert werden muss, bei warmem und windigem Wetter der TM-Gehalt ziemlich schnell die 70% erreicht hat, das Gras also dann schon zu trocken ist.
Wenn Feuchtigkeit im Silageballen fehlt oder zu wenig ist, dann ist der Gärprozess verzögert, findet unvollständig statt oder sogar gar nicht. Denn die Milchsäurebakterien können ohne ausreichend Feuchtigkeit nicht richtig arbeiten. Zuerst einmal sinkt der PH-Wert langsamer ab als in der feuchteren Silage. In der Zeit können sich schädliche Keime vermehren und ihre Giftprodukte ausscheiden, die ansonsten im sauren Milieu nicht überlebt hätten.
Außerdem wird bei einer unvollständigen Silierung der im Gras enthaltene Zucker kaum abgebaut, d.h. die „schöne trockene Pferdeheulage“ enthält mehr Zucker als das „stinkige nasse Kuhsilo“.
Dann ist bei der nicht richtig durchsilierten Heulage bei Sauerstoffzufuhr (Loch im Ballen, zur Verfütterung geöffnet) das Problem von unerwünschten Nachgärungen gegeben, denn es ist ja noch Zucker da, der den Schad-Keimen bei der Vermehrung nützlich ist. Auch wenn der trockene Heulageballen zur Verfütterung geöffnet wird, ist er aus dem gleichen Grunde nur sehr kurz haltbar.
Also, so toll, wie wir immer dachten, ist die schöne trockene Pferdeheulage vielleicht doch nicht. Jedenfalls nicht unter dem Aspekt der korrekten Silierung. Es ist eine Konserve, die bei Luftzufuhr tierisch schnell schlecht wird. Und sie enthält mehr Zucker als feuchtere Silage. Und sie kann Schimmel enthalten.
Der nächste Vortragende hat hierfür eine Lösung vorgestellt. Und zwar kann auch eine dermaßen trocken eingefahrene Silage gut werden. Aber nur, wenn eine Silierhilfe eingesetzt wird. Silierhilfen können z.B. bestimmte Säuren oder Bakterien sein. Nagelt mich hier nicht fest…
Ich wüsste jetzt nicht, ob die hiesigen Landwirte bei den Silageballen für Pferde Silierhilfen einsetzen. Ich glaub nicht…
Außerdem wurde eindringlich darauf hingewiesen, gelagerte Silageballen vor Beschädigung zu schützen. Ganz wichtig sind hier auch IMMER Abdeckungen von oben, da schon landende Vogelkrallen ausreichen können, die Folie zu perforieren. Viele Kleinstlöcher sind genauso schlimm, wie ein großes. Und bei einem trockenen Heulageballen reicht ein Loch in der Größe eines kleinen Fingers aus, um den Ballen verderben zu lassen.
Ein weiterer interessanter Aspekt der üblichen Pferdeheulage im Gegensatz zum Kuhsilo ist folgender:
Das Kuhsilo wird kleingehäkselt (für Pferde ist natürlich Kleingehäkseltes nicht so optimal) und ist feuchter, also (s.o.) schneller saurer. Wenn jetzt ein totes Tier (Gott bewahre) mit einsiliert wird, wird es mit dem Gras kleingehäkselt und fein verteilt einsiliert. Dadurch dass der PH-Wert sehr schnell absinkt, können sich keine Botulismuskeime vermehren, weil sie in dem Milieu nicht überleben können. In der trockenen und ungehäkselten Pferdeheulage dagegen, ist das tote Tier im Ganzen eingepresst und in diesem Kadaver können sich die Botulismuskeime vermehren, denn dort haben sie noch eine ganze Weile einen guten Lebensraum.
Übrigens werden in Silage mehr tote Tiere mitverarbeitet als im Heu, da bei Heu durch die längere Liegedauer auf dem Feld Krähen und Füchse und sonstige Aasfresser angelockt werden und der aufmerksame Landwirt das eher mal bemerkt und diese Stelle nicht mitpresst.
Ordentliche Heulage von einem guten Landwirt ist daher nicht das schlechteste Futter.
_________________ Gutes Reiten zeigt sich in der Gesamtentwicklung des Pferdes, nicht an seiner isolierten Kopfhaltung.
by Talimeth
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