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Das große Geschnatter geht weiter!
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 Betreff des Beitrags: Denn sie wissen, was sie tun...
Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 06:58 
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Angeregt durch eine der vielen Diskussionen um Rhaps und ihren Dreijährigen eröffne ich mal dieses Topic "Ausbildung" von Jungpferden. Vielleicht ist es abseits individueller Diskussion ganz interessant zu lesen, wie und wann andere ihre Jungpferde nach welchen Prinzipien angeritten haben und wie sie so vorgehen.

Ich fange dann mal mit mir an :wink: .
In meinen jungen Jahren habe ich für Züchter vom Haffi bis zum Warmblut Pferde angeritten und ausgebildet. Das Alter dieser Pferde war in der Regel mindestens dreieinhalb, bei den Haflingern zumeist vier. Üblich waren 3-6 Wochen Longe, nach 2-3 Wochen Sattel drauf, erste Übungen drüber gelehnt, dann mit Helfer Schritt führen und langsames Herantasten an Balance und Losgelassenheit. Vierjährig erste Reitpferdeprüfungen - ich bin keine jungen Pferde eingesprungen, danach zumeist A und L-Dressur oder bei den Haffis Prüfungen im C-Bereich.
Die letzten zehn Jahre habe ich bis vorletztes Jahr eigentlich fast nur meine eigenen ausgebildet und mehr erwachsne Korrekturpferde gehabt.
Da man älter wird und auch gerne mal über den Tellerrand schaut, habe ich Bodenarbeit und Handpferdereiten vor das Longieren geschaltet. Mein Fuchs und mein Schimmel kamen beide schon angeritten zu mir, der Fuchs war durch den Auktionsberitt extrem verdorben und ist wieder auf null zurückgedreht worden, die Schimmelstute war 8x unter dem Sattel, als ich sie ausprobierte.
Ich habe in meinen jungen Jahren u.a. von einer preußischen Offizierstochter das Reiten gelernt, strikt nach Ausbildungsskala, außerdem die Maxime, junge Pferde im Gelände zu formen. Also Ausdauer, Kraftentwicklung und Muskelaufbau durch viel draußen sein, Schritt am hingegebenen Zügel, klettern lassen, erste kleine Sprünge.
Ausbildung strikt nach der Ausbildungsskala, und lieber drei Schritte zurück als einen zuviel. Gott sei Dank habe ich immer Ausbilder gefunden, die meinen Weg so begleitet und unterstützt haben. Turnierlorbeeren streicht man damit nicht immer ein in den Jungpferderüfungen, aber das ist mir nebensächlich (wobei ich gegen einen Sieg in einer Reitpferdeprüfung natürlich später für meinen Junghengst nichts dagegen hätte, da bin ich ehrlich :alol: ).
Ich lehne es strikt ab, dreijährige und darunter außer mal zum Abfragen von Kommandos oder Testen des Vertrauens, kontinuierlich unter den Sattel zu nehmen oder stundenlang zu longieren o.ä.
Ich stelle mal die provokante These in den Raum, wer sagt, man möchte sie dreijährig anreiten, weil sie sonst zu stark werden, hat vorher schon ein paar grundlegende Erziehungsmechanismen schleifen lassen oder falsch angepaart.
Stark unter dem Sattel werden sie irgendwann mehr oder minder alle, aber das macht sich nicht am Lebensalter, sondern an den Stufen des Wachstums und der Ausbildung und natürlich auch dem individuellen Charakter fest.
Was mache ich im ersten Jahr? Ich arbeite mit Longe und unter dem Sattel an den ersten Punkten der Ausbildungsskala, gehe mit erfahrenem Pferd als Begleitung, später alleine, ins Gelände, beginne mit Stangenarbeit und Springgymnastik, mache Bodenarbeit und gehe vielleicht zur Überprüfung meiner Arbeit und Ausprobieren von Vertrauen, Nervenkostüm u.ä. mal aufs Turnier, auch ohne zu starten. Am Ende des ersten Jahres habe ich von gehobener Grundausbildung bis A-Niveau (je nach Pferd) meine Basis erreicht.

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"Nur wer Pferde als freie, lebendige Partner und als Geschöpfe Gottes anerkennt, wird den Adel ihres Wesens und schließlich ihre Zuneigung erfahren. Und er wird etwas gewinnen, was über die Fertigkeit im Sattel weit hinausgeht: Einen stolzen Diener – statt einen unterworfenen aufsässigen Knecht."
Hans Heinrich Isenbart


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 07:58 
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Ich denke das hängt alles sehr von den Umständen ab. Hat man die Möglichkeit einen Dreijährigen nochmal wirklich pferdegerecht "wegzustellen" nach dem Anreiten würde ich das auch befürworten. Aber in den meisten Ställen fuhktioniert sowas gar nicht bzw. stehen die Jungpferde im Winter doch überwiegend in den Boxen und langweilen sich.
Meine Pferde habe ich jeweils 3-jährig bekommen, die Stute war schon angeritten und ich habe sie seitdem eigentlich täglich geritten. Sie ist mittlerweile 14, ist auch turniermäßig Springen gegangen im A- und L-Bereich und war seit ich sie habe einmal 2 Tage lahm wegen eines Hufgeschwürs, insofern kann das alles nicht so verkehrt gewesen sein. Sie ist auch heute noch sehr eifrig bei der Arbeit, immer engagiert, besonders beim Springen und für mich denke ich ein wahrer Glücksgriff gewesen. Beim Reiten war sie immer brav nur ein wenig "heißer Ofen" immer.
Mein Wallach, den ich 2,5 jährig als Hengst (Holsteiner Halbblut) gekauft habe, ist im Umgang viel unkomplizierter da nicht so zickig wie das Stutentier, nur beim Reiten und allem was neu war, war er von anfang an total durchgeknallt und eine echtes Sensibelchen - der ließ sich kaum anfassen als ich ihn bekam (war ein Mitleidskauf von mir weil der Züchter ihn nicht mehr halten konnte) und war mit allem überfordert und dabei noch frech - biß, schlug aus usw. - aber meiner Meinung nach eben so ein "Angstbeißer" - ich habe ihn mit einer Freundin dann angeritten im Herbst (3-jährig) und hatte eben nicht die Möglichkeit, ihn über Winter irgendwo "wegzustellen", sondern ließ ihn bei uns im Reitstall und habe ihn dann auch über Winter eben weiter beschäftigt neben dem Paddockgang, der für seine Energien lange nicht ausreichte. Geritten wurde er drei-vier Mal die Woche, sonst longiert, frei in der Halle laufen lassen mit Bodenarbeit, um ihm mal irgendwie Manieren beizubringen und daß er seine Panik verliert usw. Inzwischen ist er ganz gut händelbar (immerhin nach 7 Jahren :mrgreen: ) hat aber immer noch "Aussetzer" wo er völlig austilt wenn er was nicht kennt oder will oder bei Fremden die plötzlich was von ihm wollen wie böse TA z.B. - was meiner Meinung nach irgendwie an seinem Nervenkostüm liegt - er ist sonst super-selbstbewußt und der eindeutige Chef unter den Pferden bei uns im Stall - total konträr dazu bei manchen Situationen völlig verunsichert und dann brennen ihm echt die Sicherungen durch. Hört sich komisch an und ich kenne auch kein anderes Pferd, das so extrem reagiert aber inzwischen kann ich ganz gut damit umgehen, habe ihn zwischenzeitlich aber auch mal bereiten lassen als es mit seinen "Anfällen" zu schlimm wurde.
Tja, lange Rede, kurzer Sinn - was ich damit sagen will: Man kann das nicht so pauschalisieren mit dem Alter und was man wann macht - ich denke es hängt einfach auch entscheidend vom Pferdetyp und den Umständen ab und man muß halt teilweise einfach das kleinere Übel wählen weil man das Optimum einfach nicht erreichen kann.


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:01 
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Guten Morgen,

vielen Dank für diesen Text - du sprichst mir aus der Seele. Ich bilde seit mittlerweile über 20 Jahren Pferde aus, und niemand ist frei von Fehlern. Reiten und Ausbilden lernt man nie zuende... Ich selber habe schon einige Pferde überfordert ohne es zu merken - und bin später mit langen Krankheitsgeschichten dafür bestraft worden. Heute weiß ich es besser.

In den letzten Jahren ist vermehrt eine Entwicklung zu beobachten, bei der Reiter / Besitzer ihre Nachwuchspferde immer früher immer stärker arbeiten. Das liegt meiner Ansicht nach an der exzellenten Zucht in Deutschland, die dazu führt dass die Tiere sich extrem gut anbieten, leichtrittig sind, mitarbeiten und auch den Spaß an der Arbeit zu haben scheinen. Alles großartig - verführt aber zu viel zu großen Anforderungen zu einem viel zu frühen Zeitpunkt. Denn auch wenn die Pferde schon so fertig aussehen, und vom Kopf her scheinbar alles gut verarbeiten, so ist doch der Knochenbau, der Bänder und Sehnenapperat, und die Muskulatur noch nicht weit genug um diese Belastung schadenfrei zu überstehen. Ich höre immer wieder den Satz "er macht aber super mit, ist artig, steckt die Arbeit gut weg - warum sollte ich weniger machen?" Ja warum wohl?

Kurz gesagt: Ja, man kann mit den heutigen Pferden guter Abstammung oftmals schnelle und tolle Fortschritte erzielen. Aber es wird einem unweigerlich irgendwann die Rechnung dafür präsentiert. Meine dringende Empfehlung: Nicht immer alles zu 100% annehmen was einem das junge, motivierte Pferd präsentiert. Auch mal bremsen, Anforderungen und Alter immer wieder überprüfen und sich selber zurück nehmen!!!


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:07 
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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:11 
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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:13 
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[quote="Rhapsody"]Gute Idee Bazooka - nur wenns hier genauso ausartet und ins Lächerliche gezogen wird, wärs schade...

Ich hoffe, wir können hier wieder mal eine schöne, fruchtbare Diskussion führen. :wink:

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Hans Heinrich Isenbart


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:20 
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Hallo,
also ich bin auch grundsätzlich der Meinung, dass ein Pferd erst im Herbst des Jahres, in dem es 3 Jahre alt geworden ist, angeritten werden soll. Vorher gehört das Pferd meiner Meinung nach in eine ordentliche Herde. Die Grunderziehung wie Halfter, anbinden, Putzen, Hufe geben und abspritzen, führen lassen etc. etc. sollten bis dahin aber unbedingt sitzen. Sie können aber auch meiner Meinung nach während der Weideaufzucht geübt werden. Tja soweit die Theorie.
Mit meinem älteren Pferd konnte ich es damals so machen. Habe ihn 2.5 jährig als Hengst gekauft, er hatte die Grundschule schon gut drauf. Ich habe ihn sofort kastrieren lassen und noch einmal für ein Jahr auf die Weide in eine reine "Männerherde" gestellt. Dann mit exakt 3 Jahren und 9 Monaten angeritten. Alles hat super geklappt - keine Probleme.

Tja und dann habe ich mein zweites Pferd als Fohlen gekauft (auch Hengst) und für ihn einen guten Aufzuchtplatz gefunden. Nach 6 Monaten musste ich ihn dort wegholen, weil der Aufzuchtstall zugemacht hat. Gott sei Dank konnte er mit einem anderen Fohlen, das auch in diesem Aufzuchtstall untergebracht war, zusammen zu der Besitzerin dieses anderen Hengstfohlens. Dort blieb er bis er 2,5 Jahre alt war. Dann sollte sein Kumpel zur Körung vorbereitet werden und ich musste meinen Hengst abholen. Tja wohin mit einem sensiblen 2,5 jährigen Hengst im Winter? Ich habe ihn nach einiger Überlegung zu mir in den normalen Reitstall geholt, wo auch mein anderes Pferd stand und ihn als Handpferd mit ins Gelände genommen oder in der Halle laufengelassen etc. Als das nicht mehr ging, weil er einfach zu unausgelastet wurde, habe ich ihn mit 2 Jahren und 8 Monaten angeritten. Das ging innerhalb weniger Wochen. Wenig longiert, an den Sattel gewöhnt und dann draufgesetzt. Über den Winter habe ich ihn dann so viel wie möglich im Schritt und leichten Trab ins Gelände geritten, aber auch notgedrungen in der Halle.
Da ich aus finanziellen Gründen befürchtete, ihn im Frühjahr (da war er dann also 3) verkaufen zu müssen, habe ich ihn in zwei Reitpferdeprüfungen vorgestellt. Dann hatte ich mich entschieden, zu versuchen, ihn zu behalten und er ging noch einmal fast den ganzen Sommer tagsüber auf die Wiese (mit meinem Wallach zusammen) und abends in seine Box.

Ich mache mir heute noch Vorwürfe, dass ich dieses Pferd so früh angeritten habe - auch wenn er dadurch keine erkennbaren Schäden erlitten hat. Und ich sage jedem, der ein junges Pferd hat, dass man die Zeit, die man am Anfang "abwartet" und das Pferd auf der Wiese lässt, nachher ganz leicht wieder "aufholt". Aber manchmal sind die äußeren Umstände einfach so, dass es keine andere Möglichkeit gibt und man eben das Beste daraus machen muss.

Wenn ich etwas zu sagen hätte, würden ALLE Prüfungen für 3-jährige Pferde ersatzlos abgeschafft und diese Prüfungen für 4-jährige Pferde ausgeschrieben. Überhaupt würde ich das Mindestalter für alle mir bekannten Prüfungen um ein Jahr nach oben setzen.

Aber ich hab ja nichts zu sagen. Und für viele Reiter ist das auch gut so.

Snoeffi


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:22 
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Selbst wenn ich mit Verstand rangehe, gibt es immer wieder Situationen, wo ich durchaus den Moment der Überforderung nicht oder nicht gleioch erkenne.
Ein Beispiel: meine junge Stute (als Dressurnachwuchs gekauft!) entpuppte sich als Sprungwunder. Und fing an, übereifrig und heiss zu werden. Ich bin nicht mehr der große Springreiter vor dem Herrn, und diese Stute war das zweite Jungpferd, was ich eingesprungen bin, und ich habe nicht sofort erkannt, daß es ein Anzeichen von Überforderung war. Sondern mein Trainer, der im übrigen ihren Halbbruder hatte. Der hat mich nach der stunde beiseite genommen, und wir haben das durchgesprochen und die Anforderungen - nicht an die Höhe, sondern die technik - zurück genommen, um wieder die innere Ruhe reinzubringen.

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Hans Heinrich Isenbart


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:40 
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Bazooka die Hand reich!

Ich hatte das große Glück schon als Teenager bei einem alten Holsteiner Züchter systematisch an die Jungpferdeausbildung herangeführt zu werden. Als Studi war ich dann bei einem Rheinischen Züchter, der auch noch vom alten Schlag war. Bodenarbeit war zwar nicht deren Ding, aber die Jungchen wurden in aller Ruhe an ihr späteres Leben als Reitpferd heran geführt. Zum einen waren die Fohlen schon immer Familienmitglieder, so dass selbst die Hengstanwärter in der Regel Lämmchen waren. Aufmüpfigkeiten wurden im Keim erstickt, und ansonsten wurden die Pferde artgerecht und freundlich behandelt (inklusive sehr viel Koppelgang). Von Bodenarbeit hatte da zwar keiner eine Ahnung, aber die Pferde wurden alle peu a peu an Trense und Sattel, ans Longieren und ans Reitergewicht gewöhnt. Wenn es dann soweit war, dass es ernsthaft ans Anreiten ging, konnte man sich in der Regel in aller Ruhe draufsetzen und gemütlich losreiten. Die Pferde waren ruhig, gelassen und vertrauensvoll.

Mit den eigenen hatte ich das Glück (viele andere nennen es Pech), dass ich nur ein Pferd dreijährig gekauft habe. Meine Große (jetzt 8) war schon fast 5, als ich sie erst leicht angeritten bekam. Da sie damals mein einziges Pferd war, bin ich im Nachhinein froh, dass sie erst so spät in Arbeit kam. Wenn man nur ein Pferd hat, will man damit "viel" machen, weil man ja ungeduldig ist. Für ein dreijähriges wäre ich viel zu ungeduldig gewesen. Natürlich hänge ich immer ein bis zwei Jahre mit diesem Pferd zurück - doof für Aufbauprüfungen, die M-Dressurpferdephase haben wir ganz verpasst, weil sie erst dieses Jahr M-fertig ist. Aber dafür ist die Stute auch noch 8cm, bis sie 7 war, gewachsen. Nummer 2 war gerade erst 3, als ich probegeritten bin. Sie war 6 Wochen in Ausbildung (also 4 unterm Sattel). Sie war ein Hauch von Nichts - ich habe sie sofort zu einem Aufzüchter gebracht, bei dem sie auf 25ha Weiden bis November noch einmal in eine Jungstutenherde kam. Danach hatte sie Knieprobleme wegen übermäßigem Wachstum - also bin ich ein Jahr lang nur gerade aus ins Gelände. Auch da bin ich in den drei Reitpferdeprüfungen (4-jährig zum ans-Turnier-gewöhnen) gnadenlos hinterher geritten, aber jetzt mit 5 hat das Pferd die Ruhe weg und einen unzerstörbaren Takt sowie ihre erste Dressurpferdeplatzierung - sie hat seit dem Kauf etwa 2 Zentner zugelegt. Ich weiß nicht, ob sie das unterm Sattel mit intensiver Arbeit auch noch geschafft hätte. Und Nummer 3 war jetzt 4jährig genau dreimal unterm Sattel. Wieder schrie die Fraktion der "Frühbeginner", wie man denn ein 4jähriges rohes Pferd kaufen könne, das müßte doch schon ein ganzes Jahr unterm Sattel sein. Doch da es die Schwester meiner Großen ist, halte ich auch diesen Halbblüter für spätreif und will ihn nicht verheizen. Als Amateur leiste ich mir den Luxus zu warten, und habe hoffentlich dann Pferde, die noch mit 20 voll Freude unterm Sattel gehen.

Sollte ich mal selbstgezogene Fohlen habe, plane ich, diese dreijährig im Frühjahr an Sattel, Trense und longieren zu gewöhnen sowie sie im Frühsommer ein paar wenige Wochen unterm Reiter laufen zu lassen. Übern Sommer und Herbst sollen sie dann auf jeden Fall noch mal ganz raus. Dann können die kleinen alles sacken lassen. Und im Winter können sie "richtig" in Arbeit gehen, dann sind sie fast 4 und können noch eine Saison Reitpferdeprüfungen gehen.


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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:48 
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@Bazooka und Starbucks

Danke für Eure Beiträge...ich schliesse mich zu 1000% an.

Wir haben auch eine junge Stute im Stall..zur Zeit 3,5 Jahre jung.
Wenn ich sehe, was die zur Zeit durchmacht...Zähne, kann nicht mal balanciert alleine um die Koppel fetzen...ist zur Zeit nach einer halben Stunde Handpferdreiten ziemlich geschafft. Man kann es ihr richtig ansehen. Wir lassen sie bis zum Frühjahr in Ruhe.
Das bringt nix, denn sie ist auch sehr selbstbewusst und wenn man sie versehentlich überfordert, dann könnte alles nach hinten losgehen.
Ich denke auch, wenn ich einem Jungpferd nicht mind. 12 Std. Weidegang und eine individuelle Fütterung bieten kann, dann gehört es nicht in meine Hände, denn (Meine Meinung) daraus resultiert dies Ständige: "Mein Pferd wird zu stark, der will etwas tun".

LG
Tanja

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Gutes Reiten zeigt sich in der Gesamtentwicklung des Pferdes, nicht an seiner isolierten Kopfhaltung.

by Talimeth


Zuletzt geändert von diealtekitti am 19. September 2007, 08:50, insgesamt 1-mal geändert.

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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:48 
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Allrounder, als ich vor drei jahren Ersatz für meinen Schwarzen gesucht habe, habe ich gezielt nach rohen Vierjährigen oder Spätzündern geschaut. Erstens mal sind dann auch wirklich gute Pferde noch bezahlbar und zweitens haben sie in Ruhe wachsen dürfen.
Meine Schimmelstute hat im ersten Jahr einen Wachstumsschub von mindestens 5-6cm hinter sich gebracht, ist wahnsinnig Pferd geworden und ich ahbe bei jedem "Haken" immer an die Worte meiner TA gedacht, die beim Durchchecken des Pferdes nur sagte, "Susanne, die wird im laufe der nächsten 12 monate extrem wachsen. Tu langsam! Und am besten wenig bis garnicht longieren. Geh raus mit der geradeaus!" Und Recht hatte sie.

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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:50 
Rhapsody: "Im Endeffekt muss es doch jeder selber wissen - viel, viel wichtiger als das Alter finde ich die Intensität und die Art des Vorgehens... "

Da steht alles drin. Jeder macht, was er will. Solange es als annehmbar verkauft werden kann, ist es okay. Wenn das Tier dann halt platt ist, kommt das nächste. So ist das Leben.

Ist es das? Nein, ist es nicht. Nach wie vor scheiden die FN-gelisteten Pferde mit einem Alter von ca. neun Jahren von dieser Welt, da verschlissen. Meistens fahrlässig, oft aber auch absichtlich: Der bringt's entweder oder er kommt in die Dose.

Starbucks hat die entscheidenden Einwände genannt: Es sind das Wachstum, die Entwicklung der Knorpel und Knochen und die Ausbildung der geistigen Reife für die Arbeit. All das braucht Zeit. Also reiten kluge, pferdefreundliche Leute die Tiere nicht vor dem vierten Geburtstag an, und das auch nur testhalber. Erst im Jahr drauf beginnt die eigentliche Arbeit.

An diesem Zeitbedarf des Organismus zur Entwicklung und Reifung ändert keine noch so tolle Einstellung das Geringste. Wer das missachtet, kriegt die Rechnung: keine vollständige Entwicklung des Potentials, häufiger Ausfall durch Krankheit, vorzeitiger Verschleiß und Ausscheiden aus der Reitverwendung. Also unnötig hohe Kosten für wenig Ergebnis. Wem das Recht ist, bitte sehr.

Wer so handelt, tut dies übrigens im Sinne von Funktionären und Züchtern. Es fördert den Durchsatz und hält den Markt am Laufen. Man darf sich durch die präpotente Frühreife der Produkte nicht täuschen lassen. Auch wenn man glaubt, alles richtig zu machen. Es funktioniert nicht, was auch seit Langem bekannt ist.


Zuletzt geändert von HDV12 am 19. September 2007, 09:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:53 
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HDV12 hat geschrieben:
Rhapsody: "Im Endeffekt muss es doch jeder selber wissen - viel, viel wichtiger als das Alter finde ich die Intensität und die Art des Vorgehens... "

Da steht alles drin. Jeder macht, was er will. Solange es als annehmbar verkauft werden kann, ist es okay. Wenn das Tier dann halt platt ist, kommt das Nächste. So ist das Leben.

Ist es das? Nein, ist es nicht. Nach wie vor scheiden die FN-gelisteten Pferde mit einem Alter von ca. neun Jahren von dieser Welt, da verschlissen. Meistens fahrlässig, oft aber auch absichtlich: Der bringt's entweder oder er kommt in die Dose.

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Zu diesem satz der Ausspruch eines maßgeblichen herren der Hannoveraner-Zuchtleitung anlässlich der Stutenleistungsprüfung, bei denen der Einsatz der dreijährigen nachhaltig eingefordert wird (was ich strikt ablehne als Zuchtkriterium!).
Da fiel der Satz: "Die Guten sehen wir als Dreijährigen, und die anderen werden vierjährig auch nicht besser!"
So einen Satz halte ich für einen Skandal.

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Ungelesener BeitragVerfasst: 19. September 2007, 08:57 
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Kurzer Nachtrag:

Eine Freundin von mir kaufte vor Jahren einen Vierjährigen angeblich angerittenen Weltbogen-Sohn. Der sah aus wie zwei. Auch hier empfahl ihr die TÄin das Pferd, da es ihr noch sehr klein und mickrig vorkam, ihn für ein Jahr noch wegzustellen. Meine Freundin hatte auch bedenken, da sich der Wallach sehr stark machte. Sie hörte aber auf ihre TÄin und er durfte noch ein ganzes Jahr in Ruhe wachsen.

Letzte Woche habe ich sie nach fast 1,5 jahren wieder besucht...was soll ich sagen. Der Wallach ist bestimmt noch 10cm gewachsen und nicht nur in die Höhe, auch ist er deutlich mehr Pferd geworden. Gut, sie hat sich alle Chancen auf die Jungpferdeprüfungen verspielt, aber der Gute dankt es ihr in dem er jetzt ein absolut braves und zuverlässiges Reitpferd geworden ist, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt.

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