Hallo liebe Enten,
ich weiß gar nicht, wie ich so recht anfangen soll und was ich mir hier erhoffe. Vielleicht einfach nur ein paar Worte die mir helfen, mich und meine Gedanken zu sortieren, und vielleicht die ein oder andere Erfahrung zu dem Thema, idealerweise Ansätze zur Lösung. Der Text wird lang, sorry dafür. Vielleicht schafft es ja aber die ein oder andere von euch bis zum Ende.
Ich habe ja seit 4 Jahren eine Haflingerstute, sie ist mittlerweile 10. Als ich sie kaufte, konnte sie eigentlich nichts: mäßig angeritten aber die meiste Zeit brav (was sicher auch dem schlechten Allgemeinzustand damals geschuldet war), Micky Maus Bewegungen, über den Rücken gehen oder Hals fallen lassen war unbekannt, sie kannte kein Gelände usw. Angeritten wurde sie wohl 5jährig, bis dahin hatte man sie so ziemlich mit allem in Ruhe gelassen.
Ich hatte von Anfang an immer Hilfe im Sinne von Unterricht und auch Beritt, wir haben eigentlich komplett auf Reset gedrückt und bei null angefangen. Im Laufe der Jahre ist so durch viel Mühe und Fleiß ein doch recht ansprechendes Freizeitpferd aus ihr geworden. In den Bewegungen begrenzt, im Springvermögen auch, aber für den netten Hausgebrauch und für das was ich will absolut ausreichend
Es ist nichts wirklich leicht mit ihr – alles wird immer wieder angefragt, muss anstrengen denn wirklich sein, neue Lektionen erarbeiten wird grundsätzlich erstmal mit rausheben oder gegen die Hand drücken/stark machen, alternativ mit Schenkel ignorieren beantwortet…. Zwischendurch immer wieder Phasen, wo beim Reiten gar nichts geht. Also nicht im Sinne von mal ein, zwei schlechte Tage, sondern wirklich wochenlang Kampf, total dicht machen, null Kooperation, und bei mir dann irgendwann totaler Frust.
Im Umgang war sie schon immer schwierig, sehr dominant. Die kleinste Nachlässigkeit hat man tagelang gespürt. Sie weiß sehr genau, mit wem sie es machen kann. Dann werden beim Führen auch mal Leute über den Haufen gerannt, es wird geschnappt oder ähnliches. Themen wie Stillstehen haben wir lange diskutiert. Mittlerweile ist sie da gut „in der Spur“ und muss nur noch selten an ihre Erziehung erinnert werden, aber der ein oder andere hat da schon auch Probleme mit ihr. Wenn ich ein paar Tage nicht da war und meine Freundin sich um sie gekümmert hat, merke ich das sofort. Da ist dann kurz Nachsitzen angesagt. Meine Freundin bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles umzusetzen, stößt dann aber doch immer wieder an ihre Grenzen und kann sich nicht durchsetzen. So hat auch das Stallpersonal immer mal wieder kleine Erlebnisse mit ihr…
Kann man soweit doch eigentlich ganz gut mit leben denkt man, anfragen tun viele mal, wenn mal wieder eine schlechte Phase ist reitet man eben ein paar Tage aus und geht das das Arbeiten neu an. Andere haben da ja viel größere Probleme usw.
ABER, und das ist das, worum es mit eigentlich geht. Den Rest habe ich geschildert, damit ihr euch halbwegs ein Bild machen könnt.
Sie kann von null auf hundert und wird da so kopflos, dass es teilweise einfach gefährlich wird. Ob der Mensch daneben oder obendrauf, ist in solchen Momenten fast egal – wird nicht mehr wahrgenommen. Zuhause haben wir solche Momente fast gar nicht mehr, da dringe ich mittlerweile irgendwie zu ihr durch wenn sie es in den Kopf bekommt. Aber z.B. im Gelände immer wieder. Sie sieht oder hört was, das ich meistens gar nicht wahrnehme. Stockt, zögert, friert ein. Wenn man versucht weiterzureiten, will sie kehrtmachen (auch wenn man sie vorher gucken lässt). Lässt man sie nicht umdrehen, rennt sie im Affenzahn rückwärts oder droht auch mal zu steigen (kleine Ansätze, aber mehr muss das bitte auch nicht werden!). Ob dabei hinter ihr was ist (Zaun, Graben, anderes Pferd…), scheißegal. Nimmt sie nicht mehr wahr. Das macht sie auch, wenn ein anderes Pferd voran geht – da geht sie nicht zwangsläufig hinterher, wenn sie was gruselig findet.
Die andere Variante ist die Flucht, auch hier egal was uns da im Weg ist. Sie zieht sich zusammen, macht ggf. ein, zwei Luftsprünge und rast los, bloß weg. Auch dabei egal, ob die anderen Pferde zurück bleiben. Dabei geht sie im Zweifel auch durch Büsche und Dickicht und sonstwas, dass man sich hinterher fragt, wie man da unbeschadet durchgekommen ist.
Das Einfrieren und rückwärts ist nervig, aber damit kann ich mich notfalls irgendwie arrangieren. Wenn alle Stricke reißen steige ich zur Not auch ab und gehe ein paar Meter zu Fuß. Da ist sie zwar auch zögerlich und aufgeregt, folgt dann aber doch recht zügig. So schnell sie hochfahren kann, beruhigt sie sich auch wieder wenn sie an ihrem „Gruselobjekt“ (was auch immer es ist) vorbei ist….. An solchen Stellen latsche ich dann wenn es sein muss auch zehnmal mit ihr hin- und her, so lange eben, bis es sie nicht mehr interessiert. So machen wir es auch, wenn auch für mich offensichtlich als gruselig erkennbare Dinge unseren Weg kreuzen, z.B. ein Müllsack. Es wird wirklich alles angeglotzt, Augen fallen fast raus, Nüstern sind doppelt so groß, es wird geschnorchelt was das Zeug hält, und am liebsten würde sie in die andere Richtung abhauen. Das aber auch ähnlich ausgeprägt zu Hause auf dem Hof, da bleibt sie aber besser bei mir. In solchen Situationen setzen wir uns dann so lange damit auseinander (ja, das kann manchmal lange dauern), bis sie sich nicht mehr aufregt und gechillt an der bösen Stelle dran vorbei latscht.
Noch schlimmer ist es, wenn sie allein irgendwo ist. Sie kann sich ja allein in der Reithalle schon die Seele aus dem Leib brüllen. Früher hat sie z.B. auch gern versucht, vom Reitplatz zu pullen. Das geht mittlerweile. Aber allein vom Hof, puh. Immer wieder ein Abenteuer. Mittlerweile steigt sie dabei nicht mehr und geht auch brav und die ersten Meter noch entspannt los. Wenn sie dann kapiert, dass wir echt vom Hof weggehen, fängt sie ähnliche Diskussionen an wie beim „ich sehe was, was du nicht siehst“ wie oben beschrieben. Das kriege ich da immer noch ganz gut hin. Kritisch wird es aber, wenn sie von weitem andere Pferde sieht oder hört – da pullt sie kopflos hin, halten kann ich sie da nicht ansatzweise, sie nimmt mich nicht mehr wahr da oben. Ich kann mich entweder festhalten und mitkommen, oder ich bleibe eben allein zurück. Im Geländetraining ist sie mir z.B. mal gnadenlos über den gesamten Platz abgegangen, weil sie am einen Ende vom Platz war, die anderen Pferde alle am anderen Ende. Da war es ja nun eingezäunt und sie konnte nicht weg, aber trotzdem einfach mega scheiße sowas. Ähnlich kritische Situationen auch beim Spazieren gehen, wenn wir andere Pferde sehen. Losgerissen hat sie sich da bisher nicht, immerhin.
Ich habe von so vielen gehört „die verarscht dich“, „die ist stur“, „die muss mal eine Jachtreise haben“ usw. und war da teilweise dann auch sehr verunsichert. Ich hatte doch immer eher das Gefühl, dass solche Situationen wirklich Stress für sie sind und sie dann in dem Moment auch wirklich ein Thema hat. Generell glaube ich halt, dass sie sehr unsicher und immer erstmal ängstlich ist. Das sehen z.B. unsere Bodenarbeitstrainerin und THP genau so, ohne dass ich im Vorfeld nur ein Wort darüber gesagt hatte.
In der Bodenarbeit z.B. ist sie ganz fein, wenn sie was verstanden hat lässt sie sich am kleinen Finger leiten – so lange der Fokus bei mir und sie nicht von irgendwas abgelenkt ist. Da kann es reichen, dass ein anderes Pferd vorbeigeht (ob dann andere bei ihr auf dem Platz sind, ist egal), und das war es mit der Konzentration. Dann startet das Gebrüll und das Gehampel.
Wer uns nur so vom „normalen“ Alltag kennt, kann das immer gar nicht glauben, nach dem Motto „sie übertreibt jawohl maßlos“, „das denkt sie sich doch aus“. Wer einmal live dabei war und die Stute in Action gesehen, denkt und redet anders. Wir haben tatsächlich Leute, die nicht mehr mit uns rausgehen, weil es so unentspannt ist (was ich verstehen kann). Da kommen dann auch Sätze wie „da hätte ich nicht die Geduld zu, Respekt dass du da unermüdlich dran bleibst“ usw.
Ja, ich bin auch manchmal mit meiner Geduld am Ende und einfach nur frustriert. Ja, ich habe Phasen, da möchte ich am liebsten aufgeben, hinschmeißen und das Pferd verkaufen, weil es mir zu viel ist und ich das Gefühl habe, das nie in den Griff zu bekommen, weil ich dem Pferd offenbar nicht genug Sicherheit geben kann. Ja, ich beneide die, bei denen vieles leichter und unkompliziert geht, oder wo es nach einmal zeigen/üben einfach sitzt.
Aktuell ist nach zwei Erlebnisse am Wochenende der Frust wieder ganz groß, absoluter Tiefpunkt
LG Winnie