"Kann man davon leben"....ja, selbstverständlich kann man davon leben, schließlich brauchst du nur Geld für die notwendigsten Lebenshaltungskosten - um Geld für unnötige Dinge wie Freizeitgestaltung oder Klamotten auszugeben fehlt dir mangels Freizeit eh die Gelegenheit*g*.
Eine frühere RL von mir ist Pferdewirtin Schwerpunkt Reiten. Sie ist inzwischen ca. 35 Jahre alt, übt diesen Beruf aus seit sie 20 ist, und tut ihn ausgesprochen gut und sehr pferdeindividuell - aber sie hat noch nie in ihrem Leben ein eigenes Pferd gehabt, weil es dafür finanziell einfach nicht reicht. Sie war mehrere Jahre angestellt in einem sehr guten kleinen Stall und hat dort zwar doofe Arbeitszeiten gehabt, aber zumindest das Glück, dass sie - von der Arbeitgeberin finanziert - Trainings bei sehr guten renommierten Ausbildern bekommen hat. Und diese Chefin hat sich auch keine Krückenpferde als Kundenberittpferde in den Stall geholt, da war schon größtenteils Qualität im Stall, da macht dann der Job zumindest meistens Spaß. Andererseits ist man in den kleineren Ställen aber auch Mädchen für alles, also auch für die Stallarbeit, Turnierbegleitung des Chefs usw. zuständig - hat alles seine Vor- und Nachteile.
Jetzt ist sie selbständig tätig, was auch OK ist. Aber da hat man halt das Problem: einen "Namen" macht man sich doch auch über Turniererfolge. Nur - woher nehmen? Da braucht man dann schon ein paar Berittpferde für längere Zeit als nur 3 Monate Anreiten, die dann auch noch entsprechendes Potential haben müssen....das ist schon eine ganz schöne Durststrecke, bis man da soweit ist, dass man überhaupt entsprechende Pferde in Beritt bekommt.
Und wenn du meinst, du hättest keine Lust dich "mit Handwerken rumzuärgern".....ah ja, meinst du denn, rumärgern mit Jungpferdebesitzern die ihr Pferd in drei Monaten Dressurpferde-L-fertig haben wollen ist netter? Ich denke, es gibt wenig Jobs in denen das Rumärgerpotential größer ist, als in einem Job in dem man drauf angewiesen ist, sich mit teilweise unverständigen aber hochemotionalen Tierbesitzern auseinandersetzen zu müssen. Und bitte - nicht einreden, du könntest da noch großartig entscheiden "wer falsche Vorstellungen von Pferdeausbildung hat, dessen Pferd reite ich nicht" - da sind wir dann eben ganz fix wieder bei "kann man davon leben".
Mein jetziger RL ist Pferdewirtschaftsmeister. Jo, ich würde sagen, der kann davon leben, ist auch selbständig tätig, macht weniger Beritt. Auch, aber nicht so schwerpunktmäßig, eben auch mit Blick darauf, dass der Schwerpunkt auf Beritt mit zunehmendem Alter nicht so zielführend ist. Bei ihm liegt der Schwerpunkt auf Unterricht, und das macht er wirklich genial und hat somit großen Zulauf, und könnte wohl auch einen deutlich höheren Preis verlangen, als er es derzeit tut und dann noch besser davon leben. Aber auch wenn man sehr guten Unterricht macht - wenn man gut davon leben will, kommt man nicht immer um Schüler drumherum, denen man eigentlich nahelegen möchte, doch lieber auf´s Fahrrad umzusatteln, und bei denen Hopfen und Malz verloren ist und man in jeder Woche wieder bei knapp unterhalb von Null anfängt - also auch hier wieder die Frage, inwieweit der Unterschied zum "Rumärgern mit Handwerkern" gegeben ist.
Also: nix gegen den Beruf, wenn man ihn aus echter Leidenschaft macht - dann ist das sicherlich ein toller Beruf, und die beiden machen ihn nachwievor gerne. Aber: man muss es wirklich aus Leidenschaft tun, und nicht aus "ich weiß nicht so genau, ich glaube, ich würde wohl gerne mein Hobby zum Beruf machen".
Und bitte auch mal folgendes sehr genau überdenken: du schreibst, du könntest dir so lange rumsitzen am Schreibtisch nicht vorstellen. Gut, ich habe auch einen Schreibtischjob und freue mich jeden Abend, wenn ich endlich rauskann kan die frische Luft und mich bewegen. Ich bin auch wettermäßig kein Weichei, ich gehe auch bei Regen raus und kann starke Wärme auch ganz gut wegstecken. Aber: trotzdem bin ich bei tagelangem Schneeregen ganz froh, dass ich nicht den _ganzen Tag_ draußen sein _muss_. Und ich bin auch froh, dass ich bei 35 Grad im Schatten keine 8 Pferde reiten muss.
Ich bin von Natur aus Frühaufsteher und komme lässig auch über Wochen mit 5-6 Stunden Schlaf aus - aber ich bin trotzdem froh, wenn ich nicht die ganze Saison über jedes Wochenende um halb vier aus dem Bett _muss_ um den ganzen Tag bei Scheißwetter auf Turnierplätzen rumzurennen und abends um halb zwölf tot im Bett zu liegen.
Wie gesagt: aus echter Leidenschaft sicherlich ein toller Job trotz aller Nachteile (und die sind erheblich). Aber bestimmt kein Job für jemanden, der ihn deshalb anpeilt weil ihm gerade irgendwelche Nachteile am eigentlich angepeilten Job einfallen....
|