Ich denke, man muss ein paar Voraussetzungen klären, bevor eine Aussage möglich ist. Tatsache ist, dass die ganz breite Mehrheit im Bereich von E und A reitet, woran sich auch nie viel ändern wird. Zwar träumen alle vom Aufstieg nach L/M/S usw., doch der gelingt den wenigsten, wofür es meist objektive Gründe gibt (Geld). Gut ablesen kann man es auch an den DRA. Nach Einführung des DRA IV mit "kleiner Turnierberechtigung" ging die Quote des DRA III nochmals zurück. DRA II wird kaum noch und falls doch eher disziplinspezifisch abgelegt. Nur Ausbilder und Richter brauchen es komplett, entsprechend selten ist es.
Das heißt dann für den RU, dass es überwiegend um die Gewöhnung und die Entwicklung der Schubkraft geht; Entwicklung der Tragkraft allenfalls im Sinne der beginnenden Versammlung, wie sie in den komplexeren A-Aufgaben und den Trensen-L-Aufgaben verlangt wird. Gleiches gilt für die Sitz- und Einwirkungsentwicklung des Reiters. Damit ist der Ausbildungsrahmen klar; ideal wäre es, wenn er strukturiert und vielseitig in alle drei Disziplinen ausgefüllt würde, d. h., in Dressur, Springen und Gelände.
Für die konkrete Unterrichtseinheit (UE) heißt das, Pferd und Reiter müssen zur Losgelassenheit kommen. Diese muss konstant erzielbar werden und sich nach Maßgabe des Einzelfalls aufrecht erhalten lassen. Sie darf also kein Zufall mehr sein. Gleiches gilt für die Sitzgrundlage, die sich im Laufe der Zeit zur Einwirkung als Ganzem vervollkommnet (auf unserem Niveau) und ebenso konstant abrufbar wird.
Demnach erzeugt guter RU, den ein guter RL macht, Losgelassenheit bei P+R. Erst wenn diese erreicht ist, beginnt die eigentliche Arbeit, die sofort wieder beendet wird, wenn die Losgelassenheit verloren ging. So banal das klingt, so oft wird gegen diesen Grundsatz verstoßen. Der RL korrigiert sich einen Wolf, der RS müht sich redlich mit rotem Kopf, schwitzend und wird immer frustrierter. Erst gestern wieder erlebt. Dann wird immer mehr diskutiert, ein Wort gibt das andere und schon sind die beiden im schönsten Konflikt. Okay, war keine ausgebildete Trainerin sondern eine selbst ernannte, die kennen in der Regel den systematisch-didaktischen Aufbau nicht, haben meist auch die SdA und deren übungszentrierte Umsetzung weder gelernt noch verstanden; wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.
Der gute RL bricht ab, lässt kurzes Päuschen machen mit hingegebenem Zügel, falls möglich. Wenn Ruhe und ein Mindestmaß an Konzentration wieder hergestellt sind, erläutert er dem RS kurz sein Ziel (Losgelassenheit) und wie er dahin kommen will (z. B. große gebogene Linien, Übergänge, Handwechsel, Schenkelweichen, Übertretenlassen auf der offen Zirkelseite usw.). Wichtig dabei ist, dass er Sitz und Einwirkung des RS im Auge behält, denn es nutzt nichts, wenn das P es könnte, der RS es mangels Sitz und Einwirkung (S+E) aber hindert. Ein sehr häufiger Fall. Hier muss der RL einen Kompromiss finden: Beim P hin zur Losgelassenheit arbeiten, dabei aber nur Übungen reiten lassen, die den RS in S+E nicht überfordern. Gelingt das nicht, muss der RS zur Sitzschulung an die Longe; was periodisch zur Auffrischung und Vervollkommnung ohnehin geschehen sollte.
Das könnte ich jetzt in eternam weiterspinnen. Was ich damit zeigen will, neben den allgemeinen Rahmenbedingungen, ist: Guter RU, egal auf welchem Niveau, zeichnet sich dadurch aus, dass RL und RS exakt wissen, was sie wollen (Ziel), der RL exakt weiß, wie das Paar dahin kommt (Methode) und der RS alles in seinen Möglichkeiten liegende tut (Lernbereitschaft, Kritikfähigkeit, Frustrationsbereitschaft), die Aufgaben umzusetzen. Ob der RU dabei mehr anweisungsorieniert oder mehr erfahrungsorientiert ist, ist m. E. egal. Unterschiedliche Lerntypen verlangen unterschiedliche Unterrichtsstile, auf die muss ich mich als RL einstellen, wie ich überhaupt das konkrete Paar, mit dem ich gerade arbeite zum Maßstab mache. Sicher, es gibt Grundsätze, die unumstößlich sind, nur muss ich auf dem Weg zu diesen ab und zu geben: von der Grob- zur Feinform und dann zur Automation - oder - vom Leichten zum Schweren. Die reine Lehre (Richtlinien) steht immer im Hintergrund und ist das Maß aller Dinge, allerdings muss sich ihre Umsetzung an der konkreten Lage ausrichten, sonst ist keinem geholfen.
Ein RL, der nach diesen Grundsätzen arbeitet, ist ein guter RL, der guten RU erteilt.
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