gigoline hat geschrieben:
...na dann erklär du mal ohne kauderwelsch, lieber onkel horsi, wie man den kleinen, pubertierenden gören klar macht, WIE das pferd (wenn nicht wie umgangsprachlich benannt "über den rücken und ans gebiss herantretend usw.) denn nun zu laufen hat
Wie gesagt, ich hab eigentlich nicht genügend Zeit, um das hier mal kurz auszuführen, aber ich gebe schonmal die grobe Richtung an:
Mit reiner Logik kommt man schon verdammt weit: Als ich meinen kleinen Reit- & Pensionsstall mit den zugegeben sehr penibel erzogenen Pferdchen noch hatte, bin ich einfach hingegangen und hab den Kiddis ein nacktes Pony hingestellt und sie einfach mal probieren lassen. Natürlich unter Aufsicht. Mehr als manchmal eine Gerte oder nen Strick gab's nicht, die Kids waren zunächst am Boden in ner kleinen Reithalle (Roundpen oder Longierhalle tut's genauso) und sie sollten das Pferd erstmal bewegen, beschleunigen, verlangsamen, Gangarten wechseln, es wenden und schließlich auch mal anhalten.
Ohne jegliche Hilfsmittel außer einer Longierpeitsche ohne Bändel (als Verlängerung des Armes) oder nur mit einem Strick in der Hand wurde sehr schnell eines klar: Ich kann und muß mich mit dem Pferd verständigen, ohne es deshalb unbedingt anfassen zu müssen. Es geht ganz allein darum, mit der nötigen Mischung aus Durchsetzungsvermögen und Sensibilität das Pferd nach meinen Vorstellungen zu steuern.
Daraus lernt man die entsprechenden Flucht- und Druckpunkte, die sich übrigens später beim Reiten kaum unterscheiden, nur aus pragmatischen Gründen ein wenig näher zusammenrücken.
Nachdem klar war, wie so ein Pony funktioniert und unter welchen Umständen man es stoppt, wendet, verlangsamt oder beschleunigt, ging's ohne alles auf's nackte Pferd drauf. Kinder probieren gerne viel aus und Teenies mit großer Klappe werden verdammt handzahm und aufmerksam, wenn man ihnen die gewohnte Bewaffnung bestehend aus Sattel, (Hlifs-)Zügeln, Gerte und Sporen abnimmt und sie plötzlich eine scheinbar einfache Aufgabe völlig neu lösen müssen!
Als Trainier muß man dann gucken, wieviel man dem einzelnen Kind abverlangen kann. Erstmal ging es nur darum, das Pferd anschreiten und anhalten zu lassen. Dabei zu lernen, welchen Effekt die Hüfte hat, wie das Becken stehen muß und daß einem sie Arme und Hände gerade mal GARNICHT helfen! Ohne Sattel ist man auch schnell wieder runter vom Pferd, aber das Abspringen war ja nicht Ziel oder Lösung der Aufgabe und ein Pony unter Anleitung im Schritt mag sich vielleicht wie ein Durchgänger anfühlen, wenn man seine gewohnten Utensilien nicht hat, aber es ist ungefährlich genug, um in aller Ruhe die richtigen Knöpfe zu suchen.
Schon bald ist klar: Kippe ich mein Becken ab und nehme ich die Beine, verlangsamt sich das Pferd. Hierzu gibt's die entsprechende Erklärung.
Wenn ich lenken will, reicht es, sich in die Wunschrichtung zu drehen und dort einfach schonmal imaginär hinzureiten. Das Pferd wird dieser Bewegung folgen und der Grund hierfür ist auch wieder klar, wenn man ihn entsprechend liefert.
Naja, und auf diese Weise gab's einen einleuchtenden AHA-Effekt nach dem anderen, natürlich auch allerhand Pannen und Mißerfolge, aber dazu auch die entsprechende Kritik mit glasklarer Begründung.
Nun Gangartwechsel zum Trab und üben, das Pferd innerhalb der Gangat über den Sitz zu lenken und gleichzeitig in seiner Geschwindigkeit zu steuern. Das ist keine Zauberei, sondern ganz simple Logik, die jedes einigermaßen unverdorbene, aufmerksame Pferd innerhalb weniger Wochen schafft, sofern man's richtig reitet.
Meine Schulpferde habe ich damals innerhalb von 2 Monate so ausgebildet, daß sie mit einer anfänglichen Zuverlässigkeit von gut 80% ihren Job sicher machten. Durch tägliches Korrigieren und sauberen, langsamen und korrekten Unterricht konnte ich mich später zu 90-95% auf die Tiere verlassen. Wohlgemerkt punktgenau am nackten Pferd! - Was will man mehr?
Und innerhalb der zwei Jahre hatte ich genau zwei Stürze: Einmal aus Fackigkeit des Ponys, was nicht durchgaloppieren wollte und einfach plötzlich stehenblieb und einmal aus der Leichtsinnigkeit eines Mädels, wobei da auch nicht mehr als ein Plumps passiert ist...
Später kamen bei den fitteren Kinden auch Trensen ins Spiel, Sättel nach natürlich schon was früher, nachdem die Bewegungen im Pferderücken ausreichend bekannt waren und auch durch den Sattel erkennbar wurden.
Ein besonders guter Effekt war, daß die chüler garkein großes Bedürfnis hatten, die Zügel einzusetzen und somit eher zu wenig als zuviel Zügelhilfen gaben, was mir und den Tieren garantiert 1000x lieber war.
Zum Thema Zügelführung hab ich mich ja schon ausreichend ausgelassen, die entsprechenden Inhalte gab's im Unterricht sukzessive und insgesamt kann ich nur sagen, daß mir die Ergebnisse nach einigen Monaten bzw den 2 Jahren sehr gut gefallen haben!
Was das Feedback meiner Schüler bzw der Eltern angeht, kamen einige aufmich zu und meinten, daß sie garnicht wußten, daß man soviel rund um's Pferd lernen könne, denn vieles sei ihnen in langjähriger Reitschulreiterei nie gesagt, geschweige denn mal erklärt worden.
gigoline hat geschrieben:
und ICH benutze auch alle hilfen im zusammenspiel... oder wie soll ich, wenn ich sie einzeln können/lernen/lehren muss, erklären, NUR die zügelhilfe zu nutzen (ohne kreuz und bein ?) denn DASS wäre ja der umkehrschluss (auch wenn ich weiß, dass es anders gemeint ist

)
Richtig erkannt! Ich baue ganz bewußt Sequenzen in den Unterricht ein, bei denen ich nur mit den Händen / Zügeln reiten lasse. Naja, was heißt mit
den Zügel
n? Ganz genau gesagt: Mit nur
einem Zügel muß der Schüler versuchen, sämtliche Dinge hinzubekommen.
Einiges geht, manches nicht und er lernt sehr eindrucksvoll, daß er immer zum Zerren neigen wird, wenn er nicht weiter weiß. Im Umkehrschluß heißt das, daß auch mal ein loser, jedoch am Hals angelegter Zügel zum gewünschten Erfolg führen kann!
Welche Schnittpunkte sich wie genau auf Kopf- und Halshaltung auswirken, wie man Blockaden in der Halswirbelsäule sucht, erkennt und löst usw usw usw...
Dasselbe gilt für die Schenkel: Mach mal ne Vorderhandwendung ohne Zügel! Wenn Du richtig sitzt und die Beine korrekt positionierst, ist das garkein Problem! Das einzige, was vielleicht nicht perfekt sein wird, ist die Position des Kopfes oder Halses. Wobei sich dieser auch im Rahmen der Wunschposition befinden wird, wenn das Pferd einmal verstanden hat, daß es nicht unnötig im Maul gepiesackt wird.
Naja, ist ne lange Geschichte... ich glaub, ich muß tatsächlich mal mein Buch schreiben
Horsi