Wahrscheinlich war das Wetter an Pfingsten zu heiß für mich... Oder der Sturm hat letzte Gehirnzellen einfach aus meiner Schädelhöhle gefegt. Man weiß es nicht... Die Anwesenheit eines nahezu mutwillig-übermütigen Fotografen war sicherlich Teil des "Problems". Man nehme also die Sommerhitze, ein paar dämliche Fotos und püriere sie mit einem guten Schußß überschäumender Fantasie. Und - schwupps - wurde sie entdeckt. Die Milbe der Milben, die schon seit Jahrhunderten unentdeckt ein stilles Dasein mitten unter uns führt...
Doch zögern wir es nicht länger hinaus... Ich fühle mich wie der Entdecker der Antischlupf-Regelung fürs Anreiten mit Kandarre (gibt es die eigentlich schon?!) ... Denn ich habe eine
Neue Milbenart entdeckt!!!!Was das Pferd befällt ist in der Regel von 8 - 0 beiniger Natur. Es sind Tierchen die sich - je nach Laune und körperlichem Vermögen - festsaugen, anheften, reinbeißen, Blut nippen, in Körperöffnungen kriechen und noch diverse andere drollige Verhaltensweisen zeigen.
Sind die ungebetenen Gäste erst mal am bzw. im Pferd, zeigt der Pferdehalter ähnlich possierliche Verhaltensweisen: er entwurmt, reißt ab, benützt Zangen und Pinzetten, Sprays, Salben, Tinkturen, rodet ganze Haarflächen bis zum völligen Kahlschlag, setzt ätherische Öle ein und die ganz hart gesottenen spritzen ihrem armen ,durch die obigen Maßnahmen schon völlig desorientierten Ponys, Pasten ins Maul oder Lösungen in die Venen.
Doch allen Bemühungen zum Trotz sind sie da: die Parasiten. Heute möchte ich über einen sozial völlig anerkannten und gut getarnt in der Pferdewelt etablierten Parasiten berichten: die Flechtmilbe.
EsKa2010Ja, ihr habt richtig gelesen. Neben der Räude-, Hausstaub-, Grab- und Federmilbe, der kleinen Zwiebelschalenmilbe, der Hornmilbe und Laufmilbe, der roten Vogelmilbe und der schon seit den Kelten bekannten und zum festhalten von sozialen Ereignissen und Verwünschungen eingesetzten Runenmilbe und der wohl meist gehasstesten Milbe überhaupt - der Zecke - lebt diese (den meisten gänzlich unbekannte Unterart) sozial mittlerweile völlig ins Reiterleben etabliert in den Langhaaren unserer vierbeinigen Heu-Inhalierer.
Mit den ersten warmen Sonnentagen fangen die fleissigen 8-beinigen Racker mit den Nestbau an. Die männlichen Tiere übertreffen sich hier gegenseitig (ähnlich wie die Webervögel in Afrika) in kollossalen Haar-Gebilden, die sie aus dem Langhaar der befallenen Pferde bauen. Auch hier gilt: je prächtiger und üppiger das Nest aus kunstvoll verflochtenen Haaren, umso eher ist das Weibchen geneigt sich herabzulassen und einen zweiten Blick auf den kleinen grindigen Erbauer zu werfen. Dieser hockt - noch völlig außer Atem von seiner Bautätigkeit - an eine Haarwurzel gekrallt im Inneren und kann nur noch hoffen, dass die kunstvollen Verflechtungen genügend von seinem - zugegebermaßen selbst für Milbenweibchen kaum erträglichen - Äußeren ablenken.
EsKa2010Kaum ist die Holde im Inneren seines Nestes angekommen und bestaunt noch das spitzbogige Kraggewölbe, den Kuppelbau und die byzantinische Säulenanlage aus Mähnenhaar, stürzt sich der Erbauer auf die Ahnungslose und lenkt sie mit einer Führung durch die Katakomben der Haarbälge ab.
Dort kommt es zum äußersten: Er zeigt ihr seine Haarfolikel-Sammlung... Den Rest wollen wir aus Jugendschutzgründen verschweigen - wer weiß, ob Kinder mitlesen...
Doch woran erkenne ich, ob mein Pferd von der Flechtmilbe befallen ist?
Nun, da dies ein hochwissenschaftlicher Artikel ist, fügen wir der Ordnung halber ein paar Beleg-Bilder ein. Sollten sie diese oder ähnliche Flechtwerke in der Mähne, dem Schweif oder (falls es ein Tinker, Shire o.ä. ist) sogar in den Behängen ihres vierbeinigen Biotopes finden, können wir Ihnen nur eines aussprechen: unser Beileid.

In obigem Bild die Mähne kurz nach der Primärinfektion. Erste Verzwirbelungen sind bereits sichbar. Der Flechtmilbenbock hat bereits begonnen in mühsamer Kleinarbeit das einzelne Haar weichzukauen und somit dessen Struktur auf den späteren Bauprozess vorzubereiten.
EsKa2010
Das nächste Stadium ist erreicht. Einzelne Strähnen sind verflochten. So arbeitet sich das männliche Tier Sektion für Sektion durch die Mähne des befallenen Pferdes.
EsKa2010Das Endstadium:

Hier ist nichts mehr zu machen, denn selbst ein sofortiges komplettes Scheren der Mähne bewirkt nichts mehr. Denn unbemerkt hat sich der Flechtmilbenbock eine kleine Zweitwohnung tief im Süden des Pferdes eingerichtet:

Hierhin flieht er an heißen Sommertagen, wenn es im Mähnenbau einfach zu warm wird. Die kleinen Milben sind - entgegen landläufiger Meinung - recht wetterfühlig. Heißes Wetter schlägt ihnen aufs Gemüt und führt zu Beissattacken, die starken Juckreiz bei Pferden auslösen. Inwiefern hier ein direkter Zusammenhang mit dem Sommerekzem besteht, wird noch zu beweisen sein...
Was kann ich tun, wenn mein Pferd von Flechtmilben befallen ist?
EsKa2010Die Besitzerin dieses von Flechtmilben befallenen Tinkers versucht es mit der einfachsten aller Lösungen:

Sie hat ein Zeckenhalsband für Hunde in den Schweif ihres stark befallenen Tinkers gebunden. Ob dies allerdings den flechtsüchtigen Milbenbock von seiner Bautätigkeit abhalten kann, bleibt anzuzweifeln.
Im Lauf der Jahrhunderte hat sich nur eine Möglichkeit für die Besitzer eines mit Flechtmilben infestierten Pferdes herausgestellt (neben der Not-Tötung):
Vielleicht treffen Sie sich einfach mit ein paar Leidgenossen auf einem "Turnier" (kurz für Treffen der unter räudigem nestbaubetreibendem impertinentem Ekelgetier leidenen Reitpferdebesitzer). Entgegen der landläufigen und amateurhaften Meinung, werden dort mitnichten das Können von Pferd und Reiter verglichen und bewertet. NEIN: es werden die zum Teil besser - zum Teil schlechter gelungenen - Nestbauten der männlichen Flechtmilben zur Schau gestellt und die Hochleistungs-Flechtmilbenböcke gekört. Wer will, kann seinen Milbenbock auch beim Vet-Check vortraben lassen. Alternativ bietet sich ein kurzes Stopp-Over beim diensthabenden Turnier-Schmied an, um die Zähne mit neuen Eisenfüllungen für die dentalen Herausforderungen der laufenden Saison fit zu machen.
Recht gelungener Knotenbau eines juvenilen Flechtmilbenbockes - hier und da noch ein wenig zerzaust in der Ausführung, aber in einigen Jahren sicherlich eine Zierde seiner Zunft:

Hier schon deutlich ausgereifter - mit einem kleinen Balkon auf der Stirn des Pferdes:

Und nun noch eine recht seltene Doppelhaushälften-Lösung direkt auf dem Mähnenkamm. Dieser Flechtmilbenbock bekam einen Preis für die optimale Ausnutzung der räumlichen Gegebenheiten auf dem recht kurzen Mähnenkamm des Schimmels:
EsKa2010
Pferdehalter, die bis jetzt noch keine Flechtmilbe besitzen, reisen gerade im Frühsommer von weit her an, um ihr Tier mit einem besonders gekörten Flechtmilbenbock zu infizieren! Verständlich! Denn mit dem im Moment noch schnöde am Mähnenkamm dangelnden Langhaar ihres Pferdes können sie aktuell auf sonst auf keinen der vorderen Platz im Turnier hoffen. Da bleibt in diesem Jahr eben nur die Infizierung mit der hochplatziertesten Flechtmilbe vor Ort und die Hoffnung auf eine gelungene Turniersaison 2015....
EsKa2010